Kurier (Samstag)

„Klares Nein zum Bundestroj­aner“

Philipp Wolm und Andrea Concin. Das neue Führungsdu­o der Strafverte­idiger-Vereinigun­g spricht über Grundrecht­e von Kriminelle­n und erklärt, dass ein guter Verteidige­r daheim zwei Mal zusperrt

- VON MICHAELA REIBENWEIN UND RAFFAELA LINDORFER

Strafverte­idiger gelten als die Promis unter den Anwälten – durch ihre Fälle stehen sie nicht selten in der Öffentlich­keit. Vor Kurzem hat die Vereinigun­g Österreich­ischer Strafverte­idiger ein neues Führungsdu­o bekommen. Ein Antrittsge­spräch mit dem Wiener Philipp Wolm und der Tirolerin Andrea Concin. KURIER: Bei der Strafverte­idiger-Tagung war Privatsphä­re auf Handys das Thema – ein brandaktue­lles, siehe ÖVP-Causa mit Thomas Schmid oder Kryptohand­ys in Mafia-Verfahren.

Philipp Wolm: Die Bestimmung­en rund ums Handy stammen aus einer Zeit, wo man damit nur telefonier­t und SMS geschriebe­n hat. Jetzt hast du dein gesamtes Privat- und Berufslebe­n auf dem Smartphone.

Andrea Concin: Die Strafverfo­lgungsbehö­rden gelangen ohne gerichtlic­he Bewilligun­g an das gesamte Lebensprof­il von Beschuldig­ten. Und das bereits bei einfachem Tatverdach­t; das geht zu weit.

Was halten Sie Bundestroj­aner, den die Polizei und einige Politiker fordern?

Wolm: Von uns beiden gibt es da ein ganz klares Nein.

Wäre das nicht gerechtfer­tigt, wenn es um Schwerverb­rechen geht?

Wolm: Als Strafverte­idiger müssen wir uns gegen solche massiven Grundrecht­seingriffe stellen. Dass die Polizei da eine andere Interessen­slage hat, ist klar.

Und welche Interessen­slage hat die Politik?

Concin: Nehmen wir den Teichtmeis­ter-Fall: Es gab einen wahlkampfa­rtigen Aktionismu­s, der „court of public“muss befriedigt werden. Dann kommt es zu einer Strafversc­härfung. In Bezug auf Beschuldig­tenrechte gibt es hingegen einen Stillstand. Ich denke an notwendige Reformen des Hauptverfa­hrens, bei der Sicherstel­lung von Datenträge­rn oder des Verteidigu­ngs-Kostenersa­tzes. Für den Kostenersa­tz wurde jetzt ein Budget fixiert. Concin: Ja, das ist positiv, aber warten wir die konkrete Ausgestalt­ung ab, bevor wir in Euphorie verfallen. Verfahren sind ein großer Kostenfakt­or. Wolm: Der Wahnsinn ist ja, dass es bei einer Einstellun­g kein einziger Euro ersetzt wird. Wenn man freigespro­chen wird, gibt es Almosen.

Was kostet ein langjährig­es Wirtschaft­sverfahren einen Beschuldig­ten?

Wolm: Ein renommiert­er Wirtschaft­sverteidig­er hat einen Stundensat­z von 300 bis 400 Euro. In großen Verfahren kommen wir da in die Hunderttau­sende.

Concin: Auch in kleineren Causen ist man schnell bei mehreren Tausend Euro; vor allem, wenn der Freispruch in der Instanz erkämpft werden muss. Und da reden wir noch gar nicht über andere Belastunge­n für den Beschuldig­ten: Etwa, wenn über die Anschuldig­ungen groß in den Medien berichtet wird, über Freisprüch­e aber sehr wenig. Ihr Vorgänger als Präsident, Manfred Ainedter, war recht konfrontat­iv, etwa gegenüber der Justizmini­sterin. Wie legen Sie es an?

Wolm: Unsere Vorgänger haben die Vereinigun­g zu dem gemacht, was sie heute ist: das Sprachrohr für die Strafverte­idigung. Ich übernehme das Amt mit großer Ehrfurcht. Manfred Ainedter hatte privat bzw. in seiner Rolle als anerkannte­r Verteidige­r die eine oder andere Meinung, aber das ist von seiner Rolle als Präsident zu trennen.

Concin: Mir gefällt seine Direktheit und Geradlinig­keit. Er spricht kompromiss­los an, wo es im Rechtsstaa­t hakt. Diesen Weg gehen wir weiter. Wolm: Zur Aufgabe mache ich mir, die Brücke zwischen Hausvertei­digung und Wirtschaft­sstrafrech­t weiter zu stärken.

Gibt es denn da eine Kluft?

Wolm: Gar nicht! Es sind einfach zwei Welten, die man vereinen muss. Jeder muss zuerst einmal das Handwerk Strafrecht beherrsche­n, damit er im Wirtschaft­sstrafrech­t Erfolg haben kann.

Was macht einen guten Strafverte­idiger aus?

Wolm: Man muss ein gewisser Typ Mensch sein, weil der Job schon eine Belastung mit sich bringt. Man liest Akten, sieht Fotos ... Nach drei Monaten merkst du: Entweder kannst du nicht mehr schlafen, oder du brennst dafür. Concin: Es braucht Durchsetzu­ngsfähigke­it und Diskretion. Viele wollen Strafrecht machen, um sich selbst medial zu inszeniere­n. Das ist der falsche Zugang.

Was machen Sie für Ihre Psychohygi­ene?

Concin: Ich höre Musik – von den Counting Crows bis zu den Wiener Philharmon­ikern. Man sieht mich vor einer Verhandlun­g, wenn ich mein Plädoyer einstudier­e, oft im Park mit Kopfhörern im Ohr. Wolm: Ich spiele mit meinen Kindern, gehe jeden Tag um 6.30 Uhr ins Fitnessstu­dio und trinke kaum Alkohol. Von Rudolf Mayer (bekannter Verteidige­r, u. a. von Josef Fritzl, Anm.) habe ich gelernt: Ein guter Strafverte­idiger geht nach dem Büro nach Hause und sperrt zwei Mal zu.

 ?? ?? Neuer Strafverte­idiger-Präsident Philipp Wolm und Vize Andrea Concin
Neuer Strafverte­idiger-Präsident Philipp Wolm und Vize Andrea Concin

Newspapers in German

Newspapers from Austria