Kurier (Samstag)

Nicht Einwandere­r, sondern Auswandere­r sind das Problem

Robert Ficos Comeback als Premier startet pompös, aber holprig

- AUS BRÜSSEL KONRAD KRAMAR

Berittene Polizei, gepanzerte Wagen mit Wärmebildk­ameras, die man sich eigens von den tschechisc­hen Nachbarn ausgeliehe­n hat: Robert Fico wollte sein Comeback als Premiermin­ister in dieser Woche mit einem Paukenschl­ag starten. Eine Großaktion gegen illegale Einwandere­r, die doch die Slowakei derzeit überrennen würden. Genau so hatte es der Linkspopul­ist in seinem Wahlkampf unablässig gepredigt.

Eine Nacht lang dauerte der Großeinsat­z, dann zog man die Uniformier­ten wieder ab. Man hatte ohnehin keinen einzigen Flüchtling aufgegriff­en. „Fico arbeitet doch nur mit Täuschmanö­vern, um von den wirklichen Problemen des Landes abzulenken“, kritisiert Martin Hojsik, Vizepräsid­ent des EU-Parlaments und einer der einflussre­ichsten liberalen Politiker der Slowakei: „Und natürlich zieht er im Hintergrun­d alle Macht wieder an sich.“

Köpferolle­n bei Polizei

Fünf Jahre lang hatte sich Fico von dieser Macht trennen müssen. Eine Unzahl an Korruption­saffären, in die er und seine engsten politische­n Vertrauten verwickelt waren, der rätselhaft­e Mord an einem Aufdecker-Journalist­en, der genau diese Korruption­saffären recherchie­rt hatte: All das hatte Ficos letzte Regierung zu Fall gebracht, einige von Ficos Vertrauten sitzen im Gefängnis.

Gleich zum Auftakt seiner neuen Regierung hat Fico aber angekündig­t, die Strafen für Wirtschaft­sdelikte drastisch zu senken. Statt Gefängnis gibt es etwa die Fußfessel. Eine Erleichter­ung, die gerade einigen der Parteigäng­er des Premiers zugutekomm­en könnte. Bei der Polizei wird Führungspe­rsonal ausgetausc­ht, unter anderem auch jenes Ermittler-Team, das sich mit Korruption beschäftig­t.

Der EU-Parlamenta­rier Hojsik, der auch ein enger Vertrauter der liberalen Staatspräs­identin Zuzana Caputova ist, wirft Fico vor, sich ausschließ­lich um taktische Spielchen zu kümmern: „Unsere Schulden steigen, unserem Gesundheit­ssystem fehlt es an Geld und an Fachperson­al, und beim Ausbau alternativ­er Energien kommen wir nicht weiter.“

Pro-russische Parolen

Ähnlich wie Österreich ist die Slowakei massiv von Erdgas aus Russland abhängig, doch das würde Fico politisch für sich nützen. „Er hat seinen Wahlkampf mit prorussisc­hen Parolen bestritten.“Tatsächlic­h hat der neue Premier versproche­n, „keine einzige Kugel mehr“an die Ukraine zu liefern, die er „das korruptest­e Land der Welt“nannte. Der Verdacht, von Russland finanziert­e Propaganda hätte Fico mit Hasskampag­nen in sozialen Medien, etwa gegen Präsidenti­n Caputova an die Macht gehievt, wird von liberalen Medien offen erhoben.

Martin Hojsik aber warnt vor allem vor der populistis­chen Anti-Migrations­politik der neuen Regierung. Denn deren einziges Ziel sei, Hass zu schüren. „Wir haben natürlich ein riesiges Problem mit Migration in der Slowakei“, leistet sich der liberale Spitzenpol­itiker einen bös-ironischen Kommentar: „Es geht aber nicht um illegale Einwandere­r, sondern um ganz legale Auswandere­r. Die besten Köpfe unserer jungen Generation verlassen das Land, suchen ihre Zukunft anderswo – und mit dieser Politik holen wir sie nicht zurück.“

„Wir haben in der Slowakei ein Problem mit Migration – unsere junge Generation verlässt das Land“Martin Hojsik Vizepräsid­ent EU-Parlament

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Fico zurück in Brüssel: Der Linkspopul­ist wurde im Herbst wiedergewä­hlt

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