EU-Gesetz zur Rettung der Natur kommt – mit Schlupflöchern und Fragezeichen
EU-Parlament und Rat einig: Ein Teil der Flüsse, Moore, Wälder und Ackerflächen sollen in natürlichen Zustand zurückversetzt werden
Kompromiss. Es ist in jedem Fall ein historischer Beschluss zur Rettung von Natur und Artenvielfalt, den die EU jetzt wohl endgültig auf den Weg gebracht hat. Erstmals gibt es für die EU-Staaten verpflichtende Ziele, den biologischen Zustand von Landschaften auch außerhalb von Naturschutzgebieten zu verbessern: 20 Prozent schon bis 2030.
Ein Schritt, der längerfristig vor allem für die europäische Landwirtschaft deutliche Einschränkungen bringt. Ackerflächen sollen weniger intensiv bewirtschaftet, Teile davon sogar in den natürlichen Zustand zurückversetzt werden. Wälder sollen weniger intensiv bewirtschaftet, Moore, die von der Landwirtschaft trockengelegt wurden, wieder durchnässt werden. Denn nur dann können sie ihre äußerst wichtige Speicherfunktion wieder erfüllen und so dem Klimawandel entgegenwirken.
Massive Konflikte
Entsprechend heftig hatte im EU-Parlament der Streit um den Gesetzesentwurf getobt.
Vor allem die Europäische Volkspartei, zu der auch die ÖVP gehört, hatte im Namen der Bauern gegen das Gesetz Stellung bezogen, hatte im Streit um das Gesetz sogar die Verhandlungen blockiert.
Auch jetzt nach dem Beschluss bleiben EVP-Politiker skeptisch. Der österreichische EU-Parlamentarier Alexander Bernhuber meint etwa: „Die Auswirkungen für Landwirtschaft und Ernährungssicherheit sind kaum abschätzbar. Angesichts der weltweiten Krisen und Herausforderungen in der Lebensmittelversorgung jetzt noch weitere Belastungen zu beschließen, ist unverantwortlich.“
Grüne und Sozialdemokraten dagegen, die sich auch massiv für das Gesetz eingesetzt haben, sind erfreut. Von einem „Meilenstein, um den Artensterben entgegenzuwirken“ist da die Rede.
Notbremse
Doch in den Verhandlungen mit dem EU-Rat hat der Gesetzesentwurf noch einiges an Federn lassen müssen. Viele ursprünglich verpflichtende Bestimmungen, sind jetzt wieder nur Leitlinien für die Landwirte und Waldbesitzer, die diese freiwillig umsetzen können. Hatte man von den Bauern ursprünglich verlangt, zehn Prozent ihrer Flächen zu renaturieren, soll jetzt nur mehr „der Anteil“von Flächen mit hoher Artenvielfalt erhöht werden.
Auch sollen am Anfang bevorzugt sogenannte „Natura 2000“-Gebiete wieder hergestellt werden, das allerdings sind ohnehin bereits geschützte Gebiete.
Die praktische Umsetzung vieler Bestimmungen und die Kontrolle der Erfolge soll den Behörden der Mitgliedsstaaten überlassen werden. Welche Behörden aber dafür, etwa in Österreich, zuständig sein sollen und ob es Strafen für die Nichteinhaltung gibt, ist ebenfalls noch unklar.
Außerdem gibt es eine „Notbremse“im Gesetz, die die Behörden ziehen können, wenn die EU-weite Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln bedroht sein sollte.
Für Naturschützer wie den WWF ist diese Notbremse vor allem ein Schlupfloch, um sich um die Ziele des neuen Gesetzes zu drücken. Private Landbesitzer hätten so genügend Gelegenheit, um Ausnahmen zu finden, meint Sprecher Joschka Brangs: „Gut, dass es eine Einigung gibt, aber der Kompromiss, der jetzt auf dem Tisch liegt, ist doch stark verwässert.“