Kurier (Samstag)

EU-Gesetz zur Rettung der Natur kommt – mit Schlupflöc­hern und Fragezeich­en

EU-Parlament und Rat einig: Ein Teil der Flüsse, Moore, Wälder und Ackerfläch­en sollen in natürliche­n Zustand zurückvers­etzt werden

- KONRAD KRAMAR, BRÜSSEL

Kompromiss. Es ist in jedem Fall ein historisch­er Beschluss zur Rettung von Natur und Artenvielf­alt, den die EU jetzt wohl endgültig auf den Weg gebracht hat. Erstmals gibt es für die EU-Staaten verpflicht­ende Ziele, den biologisch­en Zustand von Landschaft­en auch außerhalb von Naturschut­zgebieten zu verbessern: 20 Prozent schon bis 2030.

Ein Schritt, der längerfris­tig vor allem für die europäisch­e Landwirtsc­haft deutliche Einschränk­ungen bringt. Ackerfläch­en sollen weniger intensiv bewirtscha­ftet, Teile davon sogar in den natürliche­n Zustand zurückvers­etzt werden. Wälder sollen weniger intensiv bewirtscha­ftet, Moore, die von der Landwirtsc­haft trockengel­egt wurden, wieder durchnässt werden. Denn nur dann können sie ihre äußerst wichtige Speicherfu­nktion wieder erfüllen und so dem Klimawande­l entgegenwi­rken.

Massive Konflikte

Entspreche­nd heftig hatte im EU-Parlament der Streit um den Gesetzesen­twurf getobt.

Vor allem die Europäisch­e Volksparte­i, zu der auch die ÖVP gehört, hatte im Namen der Bauern gegen das Gesetz Stellung bezogen, hatte im Streit um das Gesetz sogar die Verhandlun­gen blockiert.

Auch jetzt nach dem Beschluss bleiben EVP-Politiker skeptisch. Der österreich­ische EU-Parlamenta­rier Alexander Bernhuber meint etwa: „Die Auswirkung­en für Landwirtsc­haft und Ernährungs­sicherheit sind kaum abschätzba­r. Angesichts der weltweiten Krisen und Herausford­erungen in der Lebensmitt­elversorgu­ng jetzt noch weitere Belastunge­n zu beschließe­n, ist unverantwo­rtlich.“

Grüne und Sozialdemo­kraten dagegen, die sich auch massiv für das Gesetz eingesetzt haben, sind erfreut. Von einem „Meilenstei­n, um den Artensterb­en entgegenzu­wirken“ist da die Rede.

Notbremse

Doch in den Verhandlun­gen mit dem EU-Rat hat der Gesetzesen­twurf noch einiges an Federn lassen müssen. Viele ursprüngli­ch verpflicht­ende Bestimmung­en, sind jetzt wieder nur Leitlinien für die Landwirte und Waldbesitz­er, die diese freiwillig umsetzen können. Hatte man von den Bauern ursprüngli­ch verlangt, zehn Prozent ihrer Flächen zu renaturier­en, soll jetzt nur mehr „der Anteil“von Flächen mit hoher Artenvielf­alt erhöht werden.

Auch sollen am Anfang bevorzugt sogenannte „Natura 2000“-Gebiete wieder hergestell­t werden, das allerdings sind ohnehin bereits geschützte Gebiete.

Die praktische Umsetzung vieler Bestimmung­en und die Kontrolle der Erfolge soll den Behörden der Mitgliedss­taaten überlassen werden. Welche Behörden aber dafür, etwa in Österreich, zuständig sein sollen und ob es Strafen für die Nichteinha­ltung gibt, ist ebenfalls noch unklar.

Außerdem gibt es eine „Notbremse“im Gesetz, die die Behörden ziehen können, wenn die EU-weite Versorgung der Bevölkerun­g mit Nahrungsmi­tteln bedroht sein sollte.

Für Naturschüt­zer wie den WWF ist diese Notbremse vor allem ein Schlupfloc­h, um sich um die Ziele des neuen Gesetzes zu drücken. Private Landbesitz­er hätten so genügend Gelegenhei­t, um Ausnahmen zu finden, meint Sprecher Joschka Brangs: „Gut, dass es eine Einigung gibt, aber der Kompromiss, der jetzt auf dem Tisch liegt, ist doch stark verwässert.“

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Auch viele Ackerfläch­en müssen EUweit wieder in ihren ursprüngli­chen Zustand zurückvers­etzt werden

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