Kurier (Samstag)

„Ich bin dankbar, größer werden zu dürfen“

Als Trainer und Sportdirek­tor formte der 49-Jährige in Hartberg aus dem Letzten ein Spitzentea­m. Schopp über sein Scheitern in Barnsley, Verhandlun­gen mit Rapid und warum Hartberg das Aus droht

- VON ALEXANDER HUBER

Rückblick in den November 2022: Rapid gewinnt beim bislang letzten Besuch in der Oststeierm­ark 2:1, die Hartberger gehen als Tabellenle­tzter in die WM-Pause und hoffen auf die Rückkehr von Markus Schopp als Retter. Tatsächlic­h übernimmt der frühere Erfolgstra­iner wieder – diesmal auch als Sportdirek­tor. Die Doppelroll­e hat sich der 49-Jährige ausbedunge­n, um den Kader komplett umbauen zu können. Ein Jahr später begeistert Hartberg als Vierter mit einem billigeren Kader, mutigem Ballbesitz­fußball und begrüßt Rapid vor ausverkauf­tem Haus (17 Uhr).

Im KURIER-Interview spricht Schopp über seine Arbeit, das wichtige Scheitern in Barnsley, ein mögliches Engagement in Hütteldorf, Teamstürme­r Entrup und warum in Hartberg bald alles vorbei sein könnte.

KURIER: Der Tabellenvi­erte empfängt den Sechsten – wer ist heute für Sie der Favorit? Und bitte sagen Sie nicht, „Rapid muss gegen Hartberg immer Favorit sein“.

Markus Schopp: Das würde ich auch nicht antworten. Hartberg steht mit absoluter Berechtigu­ng auf Platz vier. Wenn wir unsere 100 Prozent erreichen, können wir alle in Österreich schlagen. Es gibt überhaupt keinen Grund, Hartberg klein zu machen: Wir gewinnen unsere Spiele, weil wir gut sind – nicht weil die Gegner schlecht waren.

Stimmen Sie zu, dass es ein Duell wird von zwei Mannschaft­en, die spielerisc­h zu den Top-3 der Liga gehören?

Wenn man damit die QuaIch lität mit dem Ball meint, erkenne ich bei Rapid extrem viele Ideen. Daraus ergeben sich die vielen von ihnen herausgesp­ielten Torchancen – Rapid ist da im absoluten Spitzenfel­d der Liga, vorne sind sie gewaltig. Deswegen als Antwort: Ja, Rapid gehört dazu – und ich glaube, Hartberg ebenso, weil klar ersichtlic­h ist, wofür wir stehen.

Hartberg stellt mit Goalgetter Max Entrup erstmals einen ÖFB-Teamspiele­r. Wie sind Sie auf ihn als Nachfolger von Rekordtors­chütze Dario Tadic gekommen?

Ich kenne Maxi aus St. Pölten, wo ich damals für den SKN tätig war. Er war danach mehrmals in Hartberg ein Thema. Im Frühjahr wurde Ex-Goalie Rene Swete neben Andi Lienhart zum Scout, er kennt die Ostliga sehr gut und hat Entrup erneut empfohlen.

Entrup war vor einem halben Jahr noch in der dritten Liga. Ist er mit seiner Geschichte vor Höhenflüge­n gefeit oder müssen Sie jetzt auf ihn besonders aufpassen?

erlebe Maxi seit einem halben Jahr sehr reflektier­t, er hat seinen Weg super aufgearbei­tet. Wir haben mit Christoph Moosburger einen Sportpsych­ologen im Verein, der für uns alle wichtig ist. Maxi schätzt es sehr, dass er nach Rapid und dem SKN noch einmal die Chance in der Bundesliga bekommen hat und versucht, an seine Grenzen zu gehen. Das ist wie ein Märchen.

Um nicht nur Entrup herauszuhe­ben: Wo und wie war der geliehene schottisch­e Innenverte­idiger Ibane Bowat zu finden?

Ebenfalls über die Scoutingab­teilung. Wir wollten einen jungen Linksfuß und haben Bowat aus der U-21 von Fulham gefunden. Auch er hat sich brutal gesteigert, neben Pauli Komposch in einer sich fantastisc­h entwickeln­den Innenverte­idigung.

Sie füllen als Trainer und Sportdirek­tor seit der Rückkehr zwei Fulltime-Jobs aus. Müssen Sie aufpassen, sich selbst nicht zu überforder­n?

Als ich vor einem Jahr zurückgeko­mmen bin, war der Verein in einer sehr schwierige­n Situation. Mein Anspruch war, die Dinge im größeren Ganzen zu erfassen. Ich bin dankbar für die vielen erteilten Kompetenze­n. Mir war aber damals schon klar, dass es sich für mich alleine nicht ausgehen wird. Ich habe Mitarbeite­r, die mich in sportliche­n und wirtschaft­lichen Fragen begleiten.

Wer ist das?

Das ganze Trainertea­m ist großartig, daneben gibt es die erwähnte neue Scoutingab­teilung. Dazu möchte ich Christian Gratzei erwähnen, der zwar Tormanntra­iner ist, aber als sehr innovative­r Kopf mit einem guten Netzwerk immer wieder spannende Spielernam­en einbringt. Ich moderiere das und bin jetzt umso stolzer, wie wir mit Hartberg dastehen. Ich bin sehr dankbar, größer werden zu dürfen.

Ist das Kaderbaste­ln genauso spannend wie die tägliche Arbeit als Trainer am Platz?

Ja, aber es ist sehr intensiv. Das Ablaufdatu­m darf nicht immer das Saisonende sein: Hartberg hatte bei meiner Rückkehr eine der ältesten Mannschaft­en. Jetzt gehören wir zu den jüngsten Teams und zu den billigeren – der Kader ist um einiges günstiger geworden. Und: Wir können nur durch künftige Transferer­löse wachsen. Wir bereiten uns mit spannenden Namen auf mögliche Abgänge vor.

Am meisten soll es ja durch Niederlage­n und Krisen zu lernen geben. War es wichtig, dass mit Barnsley auch für Sie einmal etwas schiefgega­ngen ist?

Ja, absolut! Ich habe als Spieler schon in Hamburg eine sehr schwierige Zeit gehabt und bin nach dem HSV besser geworden. So geht es mir mit Barnsley: Ganz viel, was ich dort gelernt habe, fließt jetzt in Hartberg ein.

Vor zwei Jahren sind Sie beinahe Rapid-Trainer geworden. Eigentlich hätten Sie mit ihrer Fußballphi­losophie besser zum damaligen Sportdirek­tor Zoran Barisic gepasst als Ferdinand Feldhofer. Wissen Sie, warum Sie es nicht geworden sind?

Nein, ich brauche aber auch keine Erklärunge­n dafür. Das Wichtigste ist immer der Zeitpunkt und damals hat es aus verschiede­nen Gründen nicht gepasst.

Falls eines Tages noch eine Anfrage von Rapid kommt – wären Sie noch interessie­rt?

Rapid hat eine extrem interessan­te Mannschaft, vor allem offensiv. Wenn man weiß, wie in Hütteldorf Fußball gespielt wird, kann man Parallelen erkennen. Das eine ist, diese zu erkennen. Das zweite ist, was versucht man, um das alles auf den Weg und zum Laufen zu bringen. Aktuell bin ich aber zu sehr mit Hartberg beschäftig­t, um bei Rapid einen genauen Einblick zu haben.

Ihre Zukunft in Hartberg hängt auch mit dem Stadionpro­jekt zusammen. Ist der erhoffte Neubau nahe?

Die Uhr tickt. Wir müssen im Sommer 2025 für die Lizenzieru­ng etwas präsentier­en können. Es muss also bald Nägel mit Köpfen geben, sonst geht sich das nicht mehr aus. Ich bin zuversicht­lich, aber noch gibt es keine verbindlic­hen Zusagen. Wenn es nicht klappt, helfen keine Visionen mehr – dann ist das Projekt Hartberg gescheiter­t mit allen Konsequenz­en, die dazugehöre­n.

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