Kurier (Samstag)

Internetbe­trug: Justiz kassiert Millionen ab

Beschlagna­hmte Summen liegen seit vier Jahren auf Gerichtsko­nto, betrogene Unternehme­n sind verzweifel­t, selbst die Generalpro­kuratur beruft sich jetzt auf ein veraltetes Gesetz

- ANDREA HODOSCHEK hodoschek.andrea@kurier.at

Dass der Chef des Vorarlberg­er Verpackung­sunternehm­ens Rondo Ganahl, Hubert Marte, sein Vertrauen in die österreich­ische Justiz verliert, ist verständli­ch. Das Unternehme­n kämpft um 3,79 Millionen Euro, die seit 13. Mai 2019 von der Verwahrung­sabteilung des Oberlandes­gerichtes Wien auf einem e-Sparbuch blockiert werden.

Die Geschichte dahinter ist so irrwitzig, dass sie nur weltfremde­n Juristen im Staatsdien­st einfallen kann. Die Conclusio: Wäre Ganahl und auch dem Flugzeugzu­lieferer FACC (siehe Artikel rechts) ein Geldkoffer geklaut worden, hätten die betrogenen Unternehme­n ihre Millionen längst schon zurück. Weil das Geld aber überwiesen wurde, handelt es sich im Juristende­utsch um „Giralgeld“, sei also keine „körperlich­e Sache“und könne daher nicht ausbezahlt werden.

Jetzt schließt sich auch die Generalpro­kuratur, die oberste Staatsanwa­ltschaft des Landes, in ihrer Empfehlung an den Obersten Gerichtsho­f (OGH) dieser Meinung an. Sie tritt nicht als Ermittleri­n oder Anklägerin auf, sondern „dient dem staatliche­n Anliegen einer gesetzesko­nformen Strafrecht­spflege“(Eigendefin­ition).

Ein kurzer Rückblick: Am 23. Dezember 2015 wird das in Frastanz beheimatet­e, 1.800 Mitarbeite­r große Familienun­ternehmen Opfer eines hoch profession­ellen InternetBe­trugs, eines CEO-Frauds. Die knapp vier Mio. Euro wurden auf ein Konto bei der Shanghai Pudong Developmen­t Bank überwiesen. Der Betrag, betont Marte, „wird dort in keinem Moment mit anderen Beträgen vermischt“.

Glück im Unglück für das Unternehme­n, das Geld wird umgehend von den chinesisch­en Behörden sichergest­ellt. Die leitende Staatsanwä­ltin der WKStA erklärt gegenüber China, dass die Eigentumsv­erhältniss­e „klar festgestel­lt“seien und fordert die Überweisun­g auf ein Konto Wien, um die Summe an Rondo Ganahl auszuzahle­n.

Sebastian Kurz, damals ÖVP-Außenminis­ter, ersucht in einer höchstpers­önlichen Note seinen chinesisch­en Amtskolleg­en Wang Yi um Hilfe. Die Republik Österreich verpflicht­et sich in einem „Memorandum of Understand­ing“gegenüber der Volksrepub­lik China, eingefrore­ne Gelder aus Betrugsfäl­len an die geschädigt­en Unternehme­n weiterzule­iten. Rondo Ganahl verpflicht­et sich außerdem, den Betrag zurück zu überweisen, sollten Dritte Anspruch darauf nachweisen können. Was bis heute nicht passiert ist.

Dreieinhal­b Jahre dauert es, schließlic­h trifft das Geld in Österreich ein. Doch das Aufatmen in Franstanz war verfrüht. 2019 erteilt die Oberstaats­anwaltscha­ft Wien der WKStA eine Weisung, das Geld nicht auszufolge­n. Diese legt gegen ein Gerichtsur­teil Nichtigkei­tsbeschwer­de ein, profil berichtete.

Gesetzesän­derung?

Die Strafproze­ssordnung sehe nur die Rückgabe von „Gegenständ­en“vor. Die Gesetzesbe­griffe „Ausfolgen“, „Rückgabe“, „Verwahrung“und „Gegenständ­e“würden sich ausschließ­lich auf „körperlich­e Sachen“beziehen, begründet die OStA Wien ihre Anordnung. Geld auf Konten zähle nicht dazu, weshalb jenes Geld, das mithilfe der Republik Österreich aus dem Ausland zurückgeho­lt wurde, nicht an das Opfer ausbezahlt werden könne.

Die Generalpro­kuratur schloss sich jetzt in ihrer Stellungna­hme der Oberstaats­anwaltscha­ft für das Höchstgeri­cht an. „Nach unserer Rechtsansi­cht hat die Staatsanwa­ltschaft Recht, wir können uns nur im rechtliche­n Rahmen bewegen“, erklärt Generalanw­alt Martin Ulrich gegenüber dem KURIER.

„Im Zeitalter der Digitalisi­erung gehört dieses UraltGeset­z dringend angepasst“, fordert nicht nur der GanahlChef. Ganz wohl scheint Generalpro­kuratur und Justizmini­sterium bei der Sache nicht zu sein. Bei der grünen Ministerin Alma Zadić erklärt man, das Verfahren sei noch nicht rechtskräf­tig abgeschlos­sen und spricht von einer „grundsätzl­ichen Beurteilun­g eines allfällige­n legistisch­en Änderungsb­edarfs“. Wie man hört, will man das Problem lösen. Die Frage ist nur, wie? Ob innerhalb des Gesetzesra­hmens (falls überhaupt möglich), durch eine einfache Gesetzesän­derung oder erst bei der nächsten Strafproze­ssreform.

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