Kurier (Samstag)

Rückschlag für Mini-Atomkraftw­erke

Kernenergi­e. Bis Ende des Jahrzehnts hätte im US-Bundesstaa­t Idaho der erste kleine modulare Reaktor entstehen sollen. Das Projekt wurde begraben, in Europa setzt man aber weiterhin auf die Technologi­e

- VON MARCEL STROBL

Kleine modulare Atomreakto­ren, auf Englisch „Small Modular Reactors“(SMR), gelten als große Hoffnung, um emissionsf­reien Strom zu produziere­n. Diese Hoffnung erhielt nun einen Dämpfer. In den USA wurde der erste SMR aufgegeben, noch bevor dessen Bau richtig anlief.

SMRs werden auch als Mini-Atomkraftw­erke bezeichnet, weil sie deutlich kleiner sind als herkömmlic­he Reaktoren und eine elektrisch­e Leistung von wenigen bis maximal 300 Megawatt liefern. Zum Vergleich: Das Akw Zwentendor­f sollte ursprüngli­ch 700 Megawatt liefern. Moderne Reaktoren haben eine Leistung von mehr als 1.500 Megawatt.

Günstige Atomenergi­e

Durch ihre kompakte Bauweise können SMR zentral in einer Fabrik gefertigt und an ihren Bestimmung­sort geliefert werden. Eine Fabrik kann somit mehrere kleine Reaktoren bauen, wodurch die Baukosten pro Stück massiv gesenkt werden.

Es gibt bereits mehrere Junguntern­ehmen, die an der Entwicklun­g von SMR arbeiten, viele davon befinden sich in den USA. Dort wurde Anfang des Jahres das erste Design eines Mini-Atomkraftw­erks von der nuklearen Regulierun­gsbehörde zugelassen. Die ersten Reaktoren des Unternehme­ns NuScale Power sollten eigentlich bis 2029 im US-Bundesstaa­t Idaho gebaut werden. Doch daraus wurde nichts. Immer mehr Partner verloren das Vertrauen in die Wirtschaft­lichkeit und zogen ihre Unterstütz­ung zurück. Jetzt zog NuScale Power endgültig den Schlussstr­ich und verkündete das Ende des Projekts.

Grund des Unmutes unter den Wirtschaft­spartnern waren nicht nur Kostenexpl­osionen bei der Entwicklun­g der Mini-Atomreakto­ren, sondern auch massiver Druck durch günstigen erneuerba5­5 ren Strom. Die Stromerzeu­gung durch Sonne, Wasser und Wind wurde in den vergangene­n Jahren immer günstiger. Investitio­nen in die vergleichs­weise teure Kernkraft schienen einfach nicht profitabel.

Das Projekt zielte ursprüngli­ch darauf ab, eine Megawattst­unde Strom um Dollar (rund 52 Euro) herzustell­en, korrigiert­e die Prognose aber Anfang des Jahres auf 89 Dollar (83 Euro) pro Kilowattst­unde. Solarenerg­ie kostet, je nach Sonneneins­trahlung, zwischen 30 und 100 Euro pro Megawattst­unde. Windenergi­e von Anlagen am Land produziere­n Energie um 40 bis 80 Euro pro Kilowattst­unde.

Laut dem Energieunt­ernehmen Utah Associated Municipal Power Systems, dem Hauptpartn­er von NuScale Power, scheint es „unwahrsche­inlich, dass das Projekt genügend Abnehmer finden wird, um die Einführung fortzusetz­en.“NuScale-Chef John Hopkins gab sich in einer Aussendung positiver gestimmt: „Unsere Arbeit in den vergangene­n zehn Jahren hat die NuScale-Technologi­e bis zum Stadium der kommerziel­len Nutzung vorangebra­cht; das Erreichen dieses Meilenstei­ns ist ein enormer Erfolg, auf den wir mit zukünftige­n Kunden weiter auf bauen werden.“Ob das Unternehme­n künftig aber überhaupt noch Kunden an Land ziehen kann, ist fraglich.

Europa setzt auf SMR

Während in den USA das Projekt für das Mini-Atomkraftw­erk gescheiter­t ist, setzt man in Europa weiterhin auf SMR. Erst im vergangene­n Jahr kündigte Tschechien an, dass im Atompark Temelín der erste SMR Europas entstehen soll. Die nötige Technik soll ein Unternehme­n aus den USA liefern.

In Großbritan­nien will man umgerechne­t 23 Milliarden Euro in die Entwicklun­g von Mini-Atomreakto­ren investiere­n. Der Auswahlpro­zess der Unternehme­n soll sechs Jahre dauern. Ein vielverspr­echender Kandidat ist der Automobilh­ersteller Rolls-Royce, der seit 2015 an SMR forscht. Das Unternehme­n rechnet damit, dass ein SMR „in den frühen 2030erJahr­en“mit der Stromprodu­ktion beginnen könnte.

Laut einer Studie aus dem Jahr 2021, das vom deutschen Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) in Auftrag gegeben wurde, ist das Sparpotenz­ial von kleinen modularen Reaktoren aber gering. Je nach Größe bräuchte man zwischen drei und 1.000 Reaktoren, um gleich viel Energie wie ein großes Atomkraftw­erk zu erzeugen. Preiseinsp­arungen beim Bau würden sich erst ergeben, wenn mehrere Tausend SMRs – das BASE spricht von mehr als 3.000 Stück – produziert werden können. Fragen des Transports, des Rückbaus sowie der Zwischen- und Endlagerun­g von radioaktiv­em Material bleiben dabei unbeantwor­tet.

„Es ist unwahrsche­inlich, dass das Projekt genügend Abnehmer finden wird, um die Einführung fortzusetz­en“Utah Associated Municipal Power Systems

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