Kurier (Samstag)

Warum sagen wir „es herbstelt“aber nicht „es frühlingt“?

... und Antworten, die Sie überrasche­n werden

- Von Anna-Maria Bauer

Haben Sie es heuer schon gehört? Oder unter Umständen sogar selbst gesagt? Vielleicht während eines Waldspazie­rgangs, beim Schlendern unter bunten Laubkronen. Oder beim Nachhausek­ommen, wenn der kalte Wind um die Wangen gestrichen ist und vermittelt hat: Er ist wieder da. Oder eben: „Es herbstelt.“Gibt es eine liebevolle­re Art, eine Jahreszeit willkommen zu heißen, als sie zu einem Verb umzufunkti­onieren und dann mit einer verniedlic­henden Endung zu liebkosen? Obwohl der Herbst nicht unbedingt das österreich­ische Liebkind unter den Jahreszeit­en ist; immerhin bringt er ja nicht nur Farbenprac­ht, heiße Maroni und Halloween, sondern auch Kälte und klamme Dunkelheit, wird ihm diese Ehre als einzigem zu teil. Denn im Österreich­ischen – und das „herbsteln“existiert vor allem in dieser Sprachvari­etät – gibt es weder „es frühlingt“, noch „es sommert“oder „es wintert“.

Aber warum ist das eigentlich so? Existieren würden die anderen Varianten rein theoretisc­h schon, erfahren wir von Peter Ernst, Professor

der Sprachwiss­enschaft an der Universitä­t Wien: „Die Sprache stellt im Sprachsyst­em oft Möglichkei­ten zur Verfügung, die aber nicht genutzt werden (müssen).“Heißt konkret: Frühlingen, sommern oder wintern sind möglich. Dass nur herbsteln genutzt wird, ist Usus. „Das kann kaum begründet werden – es hat sich einfach so ergeben.“Doch der Herbst wurde ja nicht nur zu einem Verb, dieses wurde mit der Endung -eln zusätzlich verniedlic­ht. Dieses Suffix beschreibt die Art der Aktion näher. Die VerbEndung kann betonen, dass etwas wiederhole­nd, intensivie­rend passiert wie bei streichen zu streicheln und/oder verniedlic­hend wie bei tanzen zu tänzeln. Vielleicht liegt der Ursprung dieser Phrase also im Auftreten des Herbsts. Denn während der Winter plötzlich mit eisigem Umhang aufkreuzt, der Frühling mit grellen Farben auftanzt und der Sommer mit den Pauken der Hitze erscheint, nehmen die Laubblätte­r sukzessive ihre niedlicher­en, bunten Farben an, der Wind wird stetig wiederhole­nd intensivie­rend kühler. Denn nur der Herbst zieht auf sanften Sohlen ins Land.

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