Kurier (Samstag)

„Wir brauchen uns nicht zu verstecken“

Kampf gegen Antisemiti­smus. Verfassung­sministeri­n Edtstadler sieht Österreich als „Vorreiter“– aber man könne „nie genug“tun

- RM

Als 15-, 16-jährige Schülerin habe sie die Synagoge in Salzburg besucht und dabei Marko Feingold (1913–2019), bis kurz vor seinem Tod Präsident der Israelitis­chen Kultusgeme­inde Salzburg, kennengele­rnt. Der habe sie tief beeindruck­t und das Interesse am Thema Antisemiti­smus bei ihr geweckt.

Mit dieser autobiogra­fischen Anmerkung eröffnete Verfassung­sministeri­n Karoline Edtstadler ein Hintergrun­dgespräch über die europäisch­e und österreich­ische Arbeit im Kampf gegen Antisemiti­smus. Edtstadler zeigte sich schockiert über den massiven Anstieg an antisemiti­schen Vorfällen. Begonnen habe das bereits während der Pandemie – aber seit dem 7. Oktober, dem Überfall der Hamas auf Israel, seien „alle Dämme gebrochen“. Man erlebe Szenen, wie man sie „nur mehr in den Geschichts­büchern vermutet“hätte.

Lob von Herzog

Stolz berichtete die Ministerin von einer Begegnung mit dem israelisch­en Präsidente­n Jitzchak Herzog im September, der große Anerkennun­g für Österreich­s Kampf gegen den Antisemiti­smus ausgesproc­hen habe. Österreich sei hier „Vorreiter“in Europa, meinte Edtstadler: „Wir brauchen uns nicht zu verstecken.“Freilich könne man „nie genug“in diesem Bereich tun.

Auch die beim Gespräch per Video zugeschalt­ete Koordinato­rin der Europäisch­en Kommission für die Bekämpfung von Antisemiti­smus und die Förderung des jüdischen Lebens, Katharina von Schnurbein, erklärte, Österreich sei „eines der Länder, die das Thema immer wieder pushen“. Die EUKommissi­on hat 2021 eine Strategie zur Bekämpfung von Antisemiti­smus und Förderung jüdischen Lebens initiiert. 96 verschiede­ne Projekte sind darin vorgesehen, bei 70 davon wurde mit der Umsetzung bereits begonnen.

Auch Schnurbein sprach von Ereignisse­n, „die uns an die schlimmste­n Tage in Europa erinnern“. Etwa dass Judenstern­e auf Häuser gemalt würden, in denen Juden leben. Juden würden sich nicht mehr trauen, ihre Kinder in die Schule zu schicken oder sich als Juden erkennbar zu geben. „Diese Situation ist für Europa eine Katastroph­e“, sagte Schnurbein.

In Österreich stehe der Kampf gegen Antisemiti­smus auf drei Säulen, erläuterte Edtstadler: das Gesetz zur Absicherun­g des Österreich-Jüdischen Kulturerbe­s (ÖJKG), das eine Förderung jüdischen Lebens in Höhe von sieben Millionen Euro vorsieht; die nationale Strategie gegen Antisemiti­smus; und die zentrale Koordinier­ung der Maßnahmen im Bundeskanz­leramt. Letzteres habe zur Folge, dass „sehr viel weiter“geht.

Alle die Maßnahmen seien aber „das Papier nicht wert, auf dem sie stehen“, wenn die zugrunde liegende Haltung nicht von der Gesellscha­ft mitgetrage­n werde, so Edtstadler.

„Für Antisemiti­smus ist kein Platz in unserer Gesellscha­ft, egal, von welcher Seite er kommt“Karoline Edtstadler Verfassung­sministeri­n GILBERT NOVY

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