AfD am Weg zum Wahlsieg: Wird Höcke Ministerpräsident?
In drei Ländern liegt die AfD vorn. Nun wird über ein Verbot diskutiert
Björn Höcke kokettiert nicht mit seinen Ansichten. Er ist eigentlich ganz offen, was sein Weltbild angeht: Im Sommer sagte er im TV, ein „gesundes Deutschland“brauche wieder „gesunde Schulen“– solche ohne behinderte Kinder. In einem seiner Bücher schrieb er, zur „Reinigung Deutschlands brauche es gegenüber Ausländern „wohltemperierte Grausamkeit“. Zuletzt rief er Pegida-Fans zu, Deutschland sei schon „im Vorbürgerkrieg“. Und dass „wir einander erkennen werden, wenn es hart auf hart kommt.“
Höcke, der ehemalige Geschichtslehrer, den man straffrei als „Nazi“bezeichnen kann, weil ein Gericht seine Worte in eindeutiger Linie der NSDAP sah, könnte nun mehr werden als das Enfant terrible der deutschen Politik. Gehen die Umfragen in Thüringen weiter aufwärts, wird denkbar, dass der AfD-Landeschef nächstes Jahr nach dem Amt des Ministerpräsidenten greifen kann. Bei 34 Prozent liegt seine AfD, 12 Prozentpunkte vor der CDU und 14 Punkte vor der regierenden Linkspartei.
Freilich: Ein Wahlsieg heißt nicht, dass eine Partei regieren wird – vor allem nicht im Fall der AfD. Alle anderen Parteien haben deutlich gemacht, dass sie Höcke nicht wählen würden. Nur: Während das bei Grünen, Linken und SPD programmatisch ausgeschlossen ist, ist das bei der CDU anders. Sie hat in Thüringen teils mit der AfD kooperiert, manch einer spekuliert über ein Modell, das Österreich unter Schüssel mit Haiders FPÖ erlebt hat: Der Juniorpartner CDU stellt den Ministerpräsidenten, die AfD regiert ohne Höcke. Die Gegenwehr in so einem Fall wäre wohl riesig – wohl größer als hierzulande im Jahr 2000.
Es gibt aber noch ein Szenario, in dem Höcke selbst Ministerpräsident werden könnte: Steigt die AfD in Umfragen weiter, etwa auf 41 Prozent, fliegen FDP und Grüne aus dem Landtag – wonach es aussieht –, hätte Höcke die Absolute. Das könnte der AfD nicht nur in Thüringen, sondern auch in Sachsen und Brandenburg gelingen, wo im September 2024 ebenso gewählt wird.
Zwickmühle
Das politische Deutschland würde das in ein Dilemma stürzen. Kann ein Mann, der die dunkelste Zeit des Landes beschwört, sie „mit einer erinnerungspolitischen 180Grad-Wende“wieder verherrlichen will, regieren? Oder soll man das verhindern?
Einige in Berlin denken das. Marco Wanderwitz, einst Ostbeauftragter und jetzt CDU-Mandatar, sammelt im Bundestag Unterschriften für ein Verbot. Die juristischen
Chancen sind seiner Ansicht nach gut: Der Inlandsgeheimdienst sieht die thüringische AfD als „gesichert rechtsextrem“an, bald steht eine ExAfD-Bundestagsabgeordnete vor Gericht, weil sie mit den Reichsbürgern den Bundestag stürmen wollte.
Kanzleramt und Parteispitzen sind skeptisch, aus gutem Grund. Schon zweimal scheiterte eine Parteienkoalition juristisch an einem Verbot der Neonazi-Partei NPD, die war bundespolitisch völlig unbedeutend. Die Hürde bei der AfD, die teils ein Drittel der Bevölkerung hinter sich hat, ist ungleich höher. Zudem fürchten viele, dass ein Verbot nur der AfD selbst nützten würde. Selbst Bodo Ramelow, noch Ministerpräsident in Thüringen, sagt: Ein Verbotsantrag würde „vor allem auf die AfD einzahlen.“
Dort stellt man sich ohnehin auf eine Politik mit und nicht gegen die AfD ein. Selbst wenn eine Regierung ohne sie gebildet wird, hat die AfD Sperrminorität. Verfassungsänderungen oder Richterernennungen sind dann nur mehr mit ihr möglich – das lädt zu politischer Erpressung geradezu ein.