Mit 150 Sachen übers Wasser: Wenn Segeln fast zum Fliegen wird
Zwei Teams arbeiten daran, den Geschwindigkeitsweltrekord zu brechen
An der frischen Luft entspannen und ein bisschen die Seele baumeln lassen: Aus diesen Gründen gehen wohl die meisten Menschen segeln. Was das Schweizer Team SP80 und seine französische Konkurrenz Syroco im Sinn haben, hat mit Entschleunigung hingegen rein gar nichts zu tun. Ganz im Gegenteil: Seit Jahren arbeiten beide daran, den Geschwindigkeitsweltrekord mit 81 Knoten oder 150 Stundenkilometern regelrecht zu pulverisieren.
Ihre Ansätze unterscheiden sich dabei zum Teil fundamental, eines haben sie jedoch gemeinsam: Mit dem klassischen Bild eines Segelboots haben sie nichts mehr gemein. Das traf zwar auch schon auf die „Vestas Sailrocket 2“zu, mit der der Australier Paul Larsen 2012 vor der namibischen Küste mit 65,45 Knoten oder 121 km/h den bis heute gültigen Weltrekord aufstellte.
Segel sind Geschichte
Im Unterschied zu den derzeitigen Rivalen SP80 und Syroco griffen Larsen und sein Team aber zumindest noch auf ein klassisches, wenn auch auf einem Ausleger angebrachtes Segel zurück. Von dieser antiquierten Idee haben sich die Schweizer und die Franzosen verabschiedet, ihre Entwürfe setzen jeweils auf Kites, also große Drachen, die die Boote ziehen.
Das war es dann aber auch schon fast mit den Gemeinsamkeiten. Insbesondere bei Syroco reizt man die Möglichkeiten des Erlaubten bereits ordentlich aus. Das französische Team setzt auf ein Gefährt, das im Kern wie ein Torpedo aussieht, der in voller Fahrt de facto durch die Luft fliegt. „Wir haben zwei Flügel, einen in der Luft und den anderen im Wasser“, beschreibt Alexandre Caizergues, KitesurfingWeltrekordler und Syroco-Pilot das Konzept dem Economist.
Der laut Regeln erforderliche Wasserkontakt wird in voller Fahrt nur mehr durch einen vertikalen Tragflügel, ein sogenanntes Hydrofoil, gewährleistet. Im Vergleich dazu nimmt sich das Schweizer Design beinahe konservativ aus, obwohl auch SP80 mehr an einen Tarnkappenbomber als an eine Jacht erinnert. Im Unterschied zu Syrocos Zugang ist das Boot jedoch zu jedem Zeitpunkt an drei Punkten, dem vorderen Hauptrumpf sowie beiden Auslegern, in Kontakt mit dem Wasser.
Den Angriff auf Larsens Rekord haben beide für 2024 geplant. Wobei es um mehr geht, wie SyrocoMitgründer Yves de Montcheuil betont. „Es geht nicht so sehr darum, einen neuen Rekord aufzustellen, als darum, neue Technologien zu entwickeln, die das Segeln effizienter machen“, sagte er zu CNN.
Und tatsächlich könnten die bei den Rekordversuchen unter Extrembedingungen gewonnenen Erfahrungen und Daten am Ende dazu beitragen, die kommerzielle Schifffahrt weniger klimaschädlich zu machen. In der Container-Schifffahrt wird bereits mit Kites und ähnlichen unterstützenden Antrieben experimentiert. Die Airbus-Tochter Airseas hat etwa ein Kite entwickelt, mit dessen Hilfe 20 Prozent weniger Treibstoff gebraucht werden soll. Bei Syroco geht man entsprechend davon aus, die Erfahrungen aus der Rekordjagd kommerzialisieren zu können. Den Rekord würde man wohl dennoch mitnehmen.