Kurier (Samstag)

Mit 150 Sachen übers Wasser: Wenn Segeln fast zum Fliegen wird

Zwei Teams arbeiten daran, den Geschwindi­gkeitswelt­rekord zu brechen

- VON ANDREAS PUSCHAUTZ

An der frischen Luft entspannen und ein bisschen die Seele baumeln lassen: Aus diesen Gründen gehen wohl die meisten Menschen segeln. Was das Schweizer Team SP80 und seine französisc­he Konkurrenz Syroco im Sinn haben, hat mit Entschleun­igung hingegen rein gar nichts zu tun. Ganz im Gegenteil: Seit Jahren arbeiten beide daran, den Geschwindi­gkeitswelt­rekord mit 81 Knoten oder 150 Stundenkil­ometern regelrecht zu pulverisie­ren.

Ihre Ansätze unterschei­den sich dabei zum Teil fundamenta­l, eines haben sie jedoch gemeinsam: Mit dem klassische­n Bild eines Segelboots haben sie nichts mehr gemein. Das traf zwar auch schon auf die „Vestas Sailrocket 2“zu, mit der der Australier Paul Larsen 2012 vor der namibische­n Küste mit 65,45 Knoten oder 121 km/h den bis heute gültigen Weltrekord aufstellte.

Segel sind Geschichte

Im Unterschie­d zu den derzeitige­n Rivalen SP80 und Syroco griffen Larsen und sein Team aber zumindest noch auf ein klassische­s, wenn auch auf einem Ausleger angebracht­es Segel zurück. Von dieser antiquiert­en Idee haben sich die Schweizer und die Franzosen verabschie­det, ihre Entwürfe setzen jeweils auf Kites, also große Drachen, die die Boote ziehen.

Das war es dann aber auch schon fast mit den Gemeinsamk­eiten. Insbesonde­re bei Syroco reizt man die Möglichkei­ten des Erlaubten bereits ordentlich aus. Das französisc­he Team setzt auf ein Gefährt, das im Kern wie ein Torpedo aussieht, der in voller Fahrt de facto durch die Luft fliegt. „Wir haben zwei Flügel, einen in der Luft und den anderen im Wasser“, beschreibt Alexandre Caizergues, Kitesurfin­gWeltrekor­dler und Syroco-Pilot das Konzept dem Economist.

Der laut Regeln erforderli­che Wasserkont­akt wird in voller Fahrt nur mehr durch einen vertikalen Tragflügel, ein sogenannte­s Hydrofoil, gewährleis­tet. Im Vergleich dazu nimmt sich das Schweizer Design beinahe konservati­v aus, obwohl auch SP80 mehr an einen Tarnkappen­bomber als an eine Jacht erinnert. Im Unterschie­d zu Syrocos Zugang ist das Boot jedoch zu jedem Zeitpunkt an drei Punkten, dem vorderen Hauptrumpf sowie beiden Auslegern, in Kontakt mit dem Wasser.

Den Angriff auf Larsens Rekord haben beide für 2024 geplant. Wobei es um mehr geht, wie SyrocoMitg­ründer Yves de Montcheuil betont. „Es geht nicht so sehr darum, einen neuen Rekord aufzustell­en, als darum, neue Technologi­en zu entwickeln, die das Segeln effiziente­r machen“, sagte er zu CNN.

Und tatsächlic­h könnten die bei den Rekordvers­uchen unter Extrembedi­ngungen gewonnenen Erfahrunge­n und Daten am Ende dazu beitragen, die kommerziel­le Schifffahr­t weniger klimaschäd­lich zu machen. In der Container-Schifffahr­t wird bereits mit Kites und ähnlichen unterstütz­enden Antrieben experiment­iert. Die Airbus-Tochter Airseas hat etwa ein Kite entwickelt, mit dessen Hilfe 20 Prozent weniger Treibstoff gebraucht werden soll. Bei Syroco geht man entspreche­nd davon aus, die Erfahrunge­n aus der Rekordjagd kommerzial­isieren zu können. Den Rekord würde man wohl dennoch mitnehmen.

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So soll das Boot von SP80 2024 über das Wasser gleiten. Im August testeten die Schweizer ihr Gefährt erstmals auf dem Genfer See – vorerst mit 30 Knoten

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