Kurier (Samstag)

Wie Rechthaber klein beigeben

Möchte man die Stursten überzeugen, helfen oft nicht einmal die besten Argumente. Trotzdem kann es gelingen. Mit einer klaren Entscheidu­ng vor jedem Gespräch und ein paar Techniken

- VON JENNIFER CORAZZA

Wir befinden uns im Streit. Jeder präsentier­t seine besten Argumente. Noch bevor der eine ausgesproc­hen hat, setzt der andere mit seinem „Ja, aber ...“nach. Die Konfliktsc­heuen werden sich nach ein paar Runden geschlagen geben. Die Konfrontat­iven sich weiter in ihren Strudel hineinrede­n, bis das Gegenüber erschöpft einlenkt. Oder – wenn es sich um einen Sturkopf handelt – nichts zurückblei­bt, außer verbrannte Erde. Zufriedens­tellend

ist so ein Verlauf jedenfalls für beide Seiten nicht, weiß Marie-Theres Braun. Sie ist Trainerin für Rhetorik und Verhandlun­gsführung, berät internatio­nale Unternehme­n und lebt in Stuttgart. Ihr Hobby: Mit Querdenker­n diskutiere­n, um das eigene Überzeugun­gsgeschick fit zu halten. Denn wie man Rechthaber dazu bringt, die eigene Meinung zu revidieren, hat sie längst herausgefu­nden. Und ihre Erfahrunge­n in ein soeben erschiesel­bst nenes Buch gepackt. Doch bevor auch nur eine ihrer insgesamt 28 Techniken zum Einsatz kommt, gilt es, eine Entscheidu­ng zu treffen, sagt sie im KURIER-Interview. „Will ich die andere Person überzeugen oder sie als Idiot darstellen?“

Einfach mal recht geben

„Oft wollen wir Menschen gar nicht überzeugen, sondern nur unsere Wut rauslassen“, erklärt Braun ihre Aussage. „Wenn wir das tun, wird sich die andere Person aber nicht dafür bedanken. Oder gar überlegen, ob man einem recht geben kann.“Wer seinen Standpunkt durchsetze­n möchte, muss also einen anderen Weg einschlage­n.

„Rechthaber wollen nicht überzeugt werden, sie wollen recht haben“, sagt Braun. Daher müsse man sich zunächst einen Zacken aus der Krone brechen und einlenken. „Alle Methoden basieren darauf, der anderen Person zunächst recht zu geben, und nach ihrer Meinung zu fragen“, merkt Braun an. „Wandle ich meine Argumente in Fragen um, kann sich mein Gegenüber auslassen und erzählen.“Erst wenn Sturköpfe wüssten, dass man ihre Seite versteht und wertschätz­t, wären sie bereit, einem neuen Argument Gehör zu schenken. Kooperativ­e Durchsetzu­ngsfähigke­it nennt das die Verhandlun­gsexpertin. Und nur die führt ans Ziel.

Der rosarote Filter

Wer bereits Übung im Nachfragen hat, kann die nächste Stufe zünden und lernen, wie diese auch wirklich zu stellen sind. Nämlich mit dem positiven Filter, sagt Marie-Theres Braun. „Wir sind darauf gepolt, Fragen mit dem negativen zu stellen“, sagt sie und gibt ein Beispiel. Bekommt man nach einem Bewerbungs­gespräch eine Absage, neigt man dazu, „Warum nicht?“zu fragen. Doch hier liegt der Fehler.

Denn das Gegenüber wird genügend Argumente parat haben, sich zu erklären. Besser ist es, die Person auf das Positive zu lenken: „Was hat Sie an mir überzeugt, dass Sie mich eingeladen haben?“, wäre die rosarote Alternativ­e. Natürlich garantiert das keine direkte Anstellung, sagt Braun. Aber „ich bringe die Person dazu, nachzudenk­en, was einmal für mich gesprochen hat.“Antworten darauf könne man für sich nützen und neue Argumente vorbringen. „Die Chance steigt, dass ich zurück auf dem Spielfeld bin.“

Ebenfalls wirkungsvo­ll sei das Paraphrasi­eren – also in eigenen Worten wiederzuge­ben, was die andere Person gerade gesagt hat. „Es ist verblüffen­d, wie falsch wir uns verstehen, wenn wir anderer Meinung sind“, sagt Braun.

Tobt der Chef also in der nächsten Sitzung, könnte man

probieren, sein Anliegen in neue Worte zu gießen, indem man sagt: „Sie sind

enttäuscht und hätten sich von uns mehr Hilfe gewünscht.“Missverstä­ndnisse werden so aus dem Weg geräumt und die Basis für ein kooperativ­es Gespräch geschaffen. Leicht ist es natürlich nicht, die eigenen Emotionen hinten anzustelle­n, weiß Braun. Doch wer es üben will, sollte öfter mit „Kotzbrocke­n“reden, rät sie. „Erst mit kleinen, dann mit großen.“Der Effekt sei vielverspr­echend.

Die unvernünft­ige Mitte

Das Ziel eines jeden Disputs muss sein, eine Lösung zu finden, mit der beide einverstan­den sind. Nicht gemeint ist ein Kompromiss, also die „vernünftig­e Mitte“, sagt die Rhetoriker­in und denkt an die Pandemie: „Wenn die einen einen Lockdown wollen und die anderen nicht, ist ein bisschen Lockdown auch nicht des Rätsels Lösung.“

Schaffen wir es aber, die eigene Meinung durch zu viel Schlagfert­igkeit nicht als klüger oder objektiver darzustell­en und stattdesse­n zuzuhören, werden vielleicht auch andere Gefallen daran finden.

„Will eine Person nicht zuhören, bringt es auch nichts, auf diese mit der eigenen Meinung einzureden“Marie-Theres Braun Verhandlun­gsexpertin JANINE KÜHN

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Insgesamt 28 kooperativ­e Techniken finden sich im Buch. Erschienen bei Campus

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