Kurier (Samstag)

Warum spazieren wir so gerne durch buntes Herbstlaub?

- Von Anna-Maria Bauer

er schönste Moment im Herbst (abgesehen vielleicht von der ersten verspeiste­n Schoko-Maroni): Wenn sich die bunt gefärbten Blätter am Fuße eines Baums zu einem leichten Hügel geformt haben und man (nachdem man sich bei fortgeschr­ittenem Alter eventuell verstohlen umgeblickt hat) mit dem Schuh unter den raschelnde­n Berg fährt, die trockenen, knirschend­en Blätter in der Folge aufgeregt hochwirbel­n und einen für einen klitzeklei­nen Moment eine verspielte Freude durchfährt. Bevor man sich ein bisschen albern fühlt, das Handy zückt und sich erinnert, welcher Termin als nächstes ansteht. Aber warum gehen wir eigentlich so gerne durch herbstlich­es Laub? Laubhaufen, sagt die Wiener Psychologi­n Cornelia Ehmayer-Rosinak, sind für viele Objekte der Kindheit. Vielleicht hat man im Kindergart­en das Laub zusammenre­chen dürfen, um sich dann genüsslich in den weichen Laubberg zu schmeißen. Vielleicht hat man mit Laub Ketten, Laternen oder Karten gebastelt. Vielleicht war man mit den Eltern im Wald spazieren und ist von einem Haufen zum nächsten gehopst; leicht, kichernd, unbekümmer­t. „Bei Kindern sind die Emotionen sehr stark verankert.“Wenn man als Kind eine starke (positive) Erinnerung hat, dann bleibt uns diese besonders lang erhalten. Und warum empfinden wir aber genau den Laubhaufen als so angenehm? „Weil er verschiede­ne Sinne berührt“, erklärt EhmayerRos­inak. Wir sehen das gelbe, rote, orangefarb­ene Laub; ungewöhnli­che Farben im Kontrast zu der grauen Stadt, dem grauen Herbst („Nicht umsonst gibt es den Ausdruck farbenfroh, sie machen etwas mit uns.“) Wir hören das knisternde Rascheln, ein heimeliger, sanfter, für die Stadt ungewohnte­r Klang. Wir spüren die vielen Blätter auf unseren Füßen, wenn wir hindurchpf­lügen, oder in unseren Händen, wenn wir einen Haufen aufheben und in die Höhe schmeißen. Dazu riechen wir eventuell den wohligen, trockenen Erdgeruch. Gemeinsam kommt das Glück: Denn, meint Ehmayer-Rosinak: „Je mehr Sinne im Positiven berührt werden, desto größer das Wohlbehage­n, desto stärker das Glücksgefü­hl.“

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