FABELHAFTE welt
Vea Kaiser
nser Baby tut mir leid. Anfang Juli ist es geschlüpft, Anfang August hatte es zuletzt ein freies Näschen. Mehr als die Hälfte seines Lebens hat es schon mit einem Schnupfen verbracht. Besser gesagt: mit mehreren Schnupfen. Denn wann immer sich eine Krankheit bessert, schleppt sein Bruder einen neuen Infekt aus dem Kindergarten nach Hause. Neulich spielte mir mein Unterbewusstsein einen Streich, und auf die Frage, wo Bambino I betreut werde, entrutschte mir: „In der Seuchengruppe“– statt Bienchengruppe. Dabei ist Bambino I ein sehr robustes Kind. Mein Gatte wiederum schafft es, von all dem unberührt gesund zu bleiben. Er würde jetzt sagen, er sei der Fels in meiner Brandung. Ich glaube, ihm hustet das Kind nicht so oft ins Gesicht. Solche Privilegien gebühren meist den Müttern. Weswegen meine eigene Gesundheit momentan in Dauerschleife auf einer KinderkrankheitenAchterbahn fährt: Auf kurze Hochs folgen lange, zum Schreien reizende Tiefs.
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UHätten wir ein Familienwappen, es würde ein Taschentuch beinhalten. Was ich jedoch bewundere: Bambino II lässt sich von seiner ewigen Erkältung keineswegs die Laune trüben. Er weint so selten, dass mich neulich eine Nachbarin fragte, ob es ihn überhaupt gäbe. Egal, ob sich der großer Bruder in einem Anflug von unzügelbarem Übermut auf ihn wirft oder fremde Leute das Gesicht in den Kinderwagen stecken: Bambino II grinst. Grantelt in der Straßenbahn das Wiener Volk, schaut Bambino in seine Richtung und grinst. Seinen Hunger zeigt er mit einem dicken Grins, Müdigkeit durch ein angedeutetes Grins. Und das alles trotz verschnupfter Nase. Irgendwann wird dieser Schnupfen weichen. Wird dieses Kind dann noch mehr freudestrahlen oder so bleiben? Er hat zwar noch kaum etwas gesehen von dieser Welt, vielleicht aber schon verstanden: Ein Schnupfen ist ein Schnupfen und wird auch wieder weggehen.