Kurier (Samstag)

Die ermordeten Präsidente­n

Jahrestag. Vor 60 Jahren wurde US-Präsident John F. Kennedy ermordet. Er war der vierte Präsident, der einem Attentat zum Opfer fiel. Nicht weniger als 21 Anschläge auf US-Präsidente­n sind bekannt

- TEXT WOLFGANG UNTERHUBER |NFOGRAF|K CARINA TICHY

Es ist ein Jahrhunder­tmord, über den seither mehr als 2.000 Bücher geschriebe­n worden sind: Am 22. November 1963 wird US-Präsident John F. Kennedy bei einer Jubelfahrt im offenen Wagen durch die Innenstadt von Dallas, Texas, erschossen. Bis heute glauben die meisten Amerikaner, dass Kennedy das Opfer einer Verschwöru­ng war. Noch dazu, weil der Attentäter, Lee Harvey Oswald, zwei Tage nach den Schüssen von Dallas vom Nachtklubb­esitzer Jack Ruby erschossen wird, als die Polizei ihn in ein anderes Gefängnis überstelle­n will. Rubybehaup­tet,ausRachefü­rden Kennedy-Mord gehandelt zu haben. Er stirbt 1967 im Gefängnis. Hinter Kennedys Ermordung stecken je nach Verschwöru­ngstheorie Rassisten, die Mafia, Fidel Castro, US-Militärs, das FBI oder der KGB, weil Oswald von 1959 bis 1962 in der Sowjetunio­n gelebt hatte. Heute zugängige Dokumente zeigen, dass die Sowjets froh waren, den seltsamen Amerikaner wieder loszuwerde­n und vom Attentat völlig überrascht waren. Schon 1953 attestiert­e ein Gericht in New York dem damals 14-jährigen Oswald eine schwere Persönlich­keitsstöru­ng. Die Schüsse in Dallas dürfte der Marxist Oswald deshalb abgefeuert haben, weil er den Millionärs­sohn Kennedy für den typischen Klassenfei­nd hielt. Tatsächlic­h Teil einer Verschwöru­ng war das Attentat auf Abraham Lincoln. Der wurde am 14. April 1865, fünf Tage nach dem Ende des US-Bürgerkrie­gs, bei einer Theatervor­führung erschossen. Der Schuss wurde zunächst nicht bemerkt, weil er während einer Pointe der Komödie „Our American Cousin“fiel. Genau so hatte es der Attentäter, John Wilkes Booth, der ohne Probleme die Loge des Präsidente­n hatte betreten können, geplant.

Attentat am Karfreitag

Booth war ein gefeierter Schauspiel­er, der auch von Lincoln geschätzt wurde. Nur war Booth auch ein fanatische­r Anhänger der Südstaaten und sah in Lincoln einen Tyrannen. Booth entkam zunächst, wurde Tage später aber gestelltun­derschosse­n.SeineMitve­rschwörerv­erübtengle­ichzeitig Attentate auf Außenminis­ter William Seward und Vizepräsid­ent Andrew Johnson. Die Anschläge misslangen. Johnson wurde Lincolns Nachfolger. Auch Kennedys Nachfolger hieß übrigens Johnson. Bis heute glauben Verschwöru­ngstheoret­iker, dass hinter den Attentäter­n Kriegsmini­ster Edwin Stanton gesteckt hätte, weil der gegen Lincolns Aussöhnung mit dem Süden war. Bewiesen wurde das nie. Vier von Booths Mitverschw­örern endeten am Galgen, drei kamen ins Gefängnis. Und Lincoln wurde zum Messias – nicht zuletzt, weil der 14. April 1865 ein Karfreitag war. Neben Lincoln und Kennedy fielen noch zwei weitere Präsidente­n einem Attentat zum Opfer. 1881 James A. Garfield und 1901 William McKinley. Garfield war gerade vier Monate im Amt, als ihn auf einem Bahnhof in der Hauptstadt­zweiKugeln­desAttentä­ters Charles J. Guiteau trafen. Guiteau, dem vor Gericht Geisteskra­nkheit attestiert wurde, war zunächst ein fanatische­r Anhänger des Präsidente­n gewesen und schickte zahlreiche Brief ins Weiße Haus, in denen er einen Posten als Diplomat forderte. Da das ignoriert wurde, tötete Guiteauden­Präsidente­n.Garfield starb nach zehn Wochen an einer Blutvergif­tung. McKinley wurde vom Anarchiste­n Leon F. Czolgosz bei einer Ausstellun­g ermordet. Anarchiste­nmorde waren damals „in“. Kaiserin Sisi war 1898 einem Anarchiste­nmord zum Opfer gefallen. Für Czolgosz eine Inspiratio­n.

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