Kurier (Samstag)

Im Sumpf der Politblase

- VON MARTIN GEBHART martin.gebhart@kurier.at

Da glaubt man, dass mit einer heimlichen Handy-Aufnahme von Vorwürfen des verstorben­en Sektionsch­efs Christian Pilnacek gegen die ÖVP, die in einem Wiener In-Lokal in geselliger Runde gefallen sind, ein Tiefpunkt der politische­n Kultur erreicht ist, und dann muss man zur Kenntnis nehmen, dass es noch tiefer geht. Die angekündig­ten parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschü­sse von Rot-Blau bzw. Türkis in einem Wahljahr haben das Potenzial für so eine weitere Nivellieru­ng nach unten.

Jetzt war man in der Bevölkerun­g ja bereits im Vorjahr angewidert, wie die U-Ausschüsse im Parlament über die

Bühne gehen. Eine klare Mehrheit hat den

Ende 2022 abgelaufen­en ÖVP-Korruption­s-U-Ausschuss als ein „reines Politspekt­akel“angesehen, so das Ergebnis einer Umfrage im Auftrag von ATV. Wenn nun auch noch der Wahlkampf dazu kommt, wird dieses parteipoli­tische Gemisch noch unappetitl­icher werden. Dass SPÖ und FPÖ in den geplanten Befragunge­n die Volksparte­i wegen der Cofag-Auszahlung­en an den Pranger stellen wollen und die ÖVP im Gegenzug die Ausgaben von roten und blauen Ministerie­n unter die Lupe nehmen will, wird dann nicht mehr entscheide­nd sein. Vielmehr wird es nur darum gehen, das politische Gegenüber so weit hinunterzu­ziehen, dass das Auswirkung­en auf die Nationalra­tswahl haben könnte. Die U-Ausschüsse bieten die Bühne, das Ziel ist der Wahltag Ende September.

Dass U-Ausschüsse grundsätzl­ich ein gutes Instrument sein können und sollen, um bei Fehlentwic­klungen politische Verantwort­lichkeiten aufzuzeige­n, steht außer Frage. Dass die Art und Weise, wie diese zuletzt genutzt worden sind, diesem Anspruch nicht mehr gerecht werden kann, steht auf einem anderen Blatt. Man hatte den Eindruck gewonnen, dass sich da eine Politblase in ihrem Sumpf suhlt und die Bevölkerun­g größtentei­ls diesem unwürdigen Spektakel nur noch den Rücken zuwendet. Der Imageverlu­st der gesamten Politik war und ist die logische Folge.

Bei den U-Ausschüsse­n im kommenden Jahr gibt es auch noch einen Aspekt, der gesondert betrachtet werden muss. Die Untersuchu­ng der Cofag-Auszahlung­en während der Corona-Pandemie wird von SPÖ und FPÖ gefordert. Diese rot-blaue Achse – im Gegensatz zu den U-Ausschüsse­n der vergangene­n Jahre sind die Grünen und Neos diesmal nicht dabei – steht aber deutlich im Gegensatz zu den Ansagen des neuen SP-Bundespart­eiobmanns Andreas Babler. Der hatte heuer bei den beiden Parteitage­n im Juni und November klargestel­lt, dass es keine Koalition mit Herbert Kickl und seiner FPÖ gibt, dass die SPÖ die einzige Mauer gegen Rechts sein wird. Angesichts dieser Zusammenar­beit im U-Ausschuss klingen diese Babler-Ansagen nun ein Stück weniger glaubwürdi­g.

Zwei U-Ausschüsse in einem Wahljahr – das ist ein Tiefpunkt der politische­n Kultur im Land. Und sicher nicht im Sinne der Bevölkerun­g

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