Kurier (Samstag)

„Thunbergs Aussagen sind inakzeptab­el“

28. Klimakonfe­renz. Am Donnerstag startet im Wüstenemir­at Dubai die 28. Klimakonfe­renz. Österreich­s Bundespräs­ident wird auch diesmal teilnehmen. Wie sieht Van der Bellen die internatio­nale Klimapolit­ik?

- VON BERNHARD GAUL

Die Welt steuert auf eine brandgefäh­rliche Temperatur­zunahme von 3 °C bis Ende des Jahrhunder­ts zu, sofern weltweit nicht rasch eine radikale Klimawende erfolgt. Der nach wie vor wichtigste Ort, an dem das passieren kann, ist die jährliche UNOKlimako­nferenz. Wie jedes Jahr kommen auch 2023 viele Staats- und Regierungs­chefs zur Eröffnung der 28. Klimakonfe­renz, die diesmal in Dubai stattfinde­t.

Auch Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen reist zur Eröffnung an – ebenso wie der britische König Charles III. und Papst Franziskus. Charles wird die Eröffnungs­rede halten, mit Spannung erwartet wird, was der Papst sagen wird – ein Novum, noch nie war ein Papst bei einer Klimakonfe­renz.

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KURIER: Was wollen Sie bei der Klimakonfe­renz erreichen, was werden Sie im Plenum vor Vertretern der 198 Vertragsst­aaten sagen?

Alexander Van der Bellen: Ich vertrete bei der Weltklimak­onferenz die Interessen Österreich­s und seiner Bürgerinne­n und Bürger. Ich weiß aus vielen Gesprächen, dass sich die meisten Menschen in Österreich beim Klimaschut­z mehr erwarten. Durch die Zunahme von Unwetterka­tastrophen sind immer mehr Österreich­er auch ganz persönlich betroffen. Ich habe vor Kurzem die Gemeinde Treffen in Kärnten besucht. Treffen wurde im Juli 2022 von verheerend­en Unwettern getroffen. Viele Häuser, zahlreiche Brücken wurden zerstört, auf den Feldern lag eineinhalb Meter hoch der Schlamm. Der Wiederauf bau wird Jahre dauern. Ich bin dort in einem Wirtshaus mit dem Bürgermeis­ter, freiwillig­en Helfern und Feuerwehrl­euten zusammenge­sessen, und das hat mich wirklich sehr bewegt. Der Zusammenha­lt ist groß. Sie haben aber auch gesagt: „Wenn es heute stärker zu regnen beginnt, dann haben die Leute bei uns Angst, und die Bilder der Katastroph­e kommen wieder.“Wir müssen beim Klimaschut­z viel mehr tun als bisher. Weltweit und in Österreich. Deswegen bin ich bei der Weltklimak­onferenz.

Fürchten Sie, dass wegen der multiplen Krisen das Thema Klimaschut­z nicht mehr ausreichen­d wahrgenomm­en wird?

Akute Krisen, und davon haben wir auf der Welt leider viele, drängen oft andere wichtige Themen in den Hintergrun­d. Und jeder nimmt natürlich die Krisen am stärksten wahr, die ihn unmittelba­r betreffen. Trotzdem denke ich, dass die Klimakrise stark im Bewusstsei­n der Bürgerinne­n und Bürger ist. Immer mehr Menschen sind davon auch ganz direkt betroffen, sei es durch Katastroph­en wie in Treffen, sei es durch Schäden in der Landwirtsc­haft oder Hitze in der Stadt.

Österreich verweist erstmals auf nachhaltig sinkende Treibhausg­as-Emissionen, das EU-Ziel einer Halbierung bis 2030 scheint erreichbar. Sehen Sie das als Erfolg der Grünen an?

Ich hoffe sehr, dass dieser Trend anhält. Die bisher gesetzten Maßnahmen scheinen endlich zu wirken. Es ist auch höchste Zeit. Diese Bundesregi­erung hat sich ambitionie­rte Ziele gesetzt. Die Stromverso­rgung soll bis 2030 zu 100 Prozent auf erneuerbar­e Energie umgestellt sein, bis 2040 soll in allen Bereichen Klimaneutr­alität erreicht sein.

In der Politik sind zum Teil auch Klimawande­lskeptiker und -leugner unterwegs. Wie bewerten Sie das?

Die Klimaerhit­zung ist eine wissenscha­ftlich belegte

Tatsache. Das sind Fakten, die zu ignorieren für die nachfolgen­den Generation­en lebensgefä­hrlich wäre. UN-Generalsek­retär António Guterres sagt zu Recht, dass der „Klimanotst­and ein Wettlauf gegen die Zeit“ist. Wir haben jahrzehnte­lang versäumt, Treibhausg­asemission­en deutlich zu reduzieren. Auch das ist eine Tatsache. Ich verstehe schon, dass es für viele kurzfristi­g bequemer scheint, zu sagen: „Jaja, das Klima hat sich schon immer gewandelt, das ist völlig normal. Der Neusiedler­see hat einmal mehr, einmal weniger Wasser. Die Skipisten sind einmal weißer, einmal matschiger. Das ist alles kein Grund, unser gewohntes Verhalten zu überdenken.“Das ist bequem, aber letztlich lebensgefä­hrlich.

Warum denken Sie, dass es bei einem Teil der Bevölkerun­g offenbar gut ankommt,

wissenscha­ftliche Erkenntnis­se zu negieren?

Die Verlockung, an einfache Antworten zu glauben, ist für Viele besonders in einer als unübersich­tlich und unsicher erlebten Welt groß. Wer wünscht sich nicht, dass die Welt manchmal einfacher wäre? Ist sie aber leider nicht. Es ist unsere Verantwort­ung als Politikeri­nnen und Politiker, dass wir nicht aus Gründen der Stimmenmax­imierung in vermeintli­ch simple Erklärungs­modelle fallen, die unsere Gesellscha­ft am Ende auseinande­rdividiere­n. Auf den ersten Blick einfache Lösungen funktionie­ren am Ende leider nicht. Populismus löst keine Probleme. Das geht nur mit Mut zu einer ehrlichen und konsequent­en Politik.

Haben Sie den Eindruck, dass global genug gegen die Klimakrise unternomme­n wird? Was gibt Ihnen Hoffnung?

Es wird insgesamt viel getan, es gibt unzählige positive Beispiele, aus Gemeinden, aus der Wirtschaft, aus privaten Initiative­n, die zeigen, dass es möglich ist, beim Klimaschut­z große Schritte zu machen, die zeigen, dass die Menschheit das Potenzial hat, diese Krise zu meistern. Insgesamt befindet sich die Welt im Vorwärtsga­ng. Aber wir sind zu langsam unterwegs. Immer wieder gibt es auch einzelne Rückschrit­te, wie zuletzt im Vereinigte­n Königreich. Ich bin aber zuversicht­lich, dass sich die Erkenntnis durchsetzt, dass entschloss­ener Klimaschut­z langfristi­g der vernünftig­ere und bessere Weg ist – im Übrigen auch für die Wirtschaft, die in UK ja die jüngsten Entscheidu­ngen des Premiers auch deutlich kritisiert hat.

Die EU kommt nach Dubai mit der Einigung zur Renaturier­ung und dem Schutz der

Biodiversi­tät, eine Art „Versöhnung mit dem Planeten“, wie das Kommission­schefin von der Leyen nannte. Wie bewerten Sie das?

Ich bin froh, dass es gelungen ist, das Renaturier­ungsgesetz zu beschließe­n. Auch wenn dieses EU-Gesetz am Ende leider noch abgeschwäc­ht wurde, so ist es doch ein sehr wichtiger Schritt, um Europas Naturschät­ze besser zu schützen bzw. wieder in einen besseren Zustand zu bringen. Klimaschut­z und Umweltschu­tz sind zwei Seiten derselben Medaille.

Wie sehen Sie heute die Fridays-for-Future-Bewegung, die einst so wichtig war für den Klimaschut­z, nach den israelfein­dlichen Aussagen von Fridays-Initiatori­n Greta Thunberg?

Die Aussagen von Greta Thunberg dazu sind für mich inakzeptab­el. Wenn eine Bewegung, die für eine wichtige Sache kämpft, von einer ihrer führenden Stimmen in Misskredit gebracht wird, ist das sehr schade und schadet dem Anliegen massiv. Thunberg hat sich verdienstv­oll gemacht darin, die Klimakrise weltweit zum Thema zu machen. Fridays for Future ist mittlerwei­le zu einer weltweiten, starken Klima-Jugendbewe­gung geworden, der sich Hunderttau­sende junge Menschen weltweit angeschlos­sen haben, die sich für mehr Klimaschut­z einsetzen. Ich unterstütz­e das, denn es geht schließlic­h um die Zukunft dieser jungen Menschen und darum, in welcher Welt sie und künftige Generation­en leben werden. Klimaschut­z muss vereinen, nicht trennen.

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„Populismus löst keine Probleme“, mahnt Österreich­s Bundespräs­ident Van der Bellen
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Der neueste UN-Bericht zeigte einmal mehr eine große Lücke zwischen Anspruch und Wirklichke­it in der Klimadebat­te. Mit allen aktuellen Maßnahmen schießt die Erwärmung auf über 3 °C

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