Kurier (Samstag)

Zur Verteidigu­ng der Neutralitä­t

Mit dem Beitritt zum „Sky Shield“beginnt Österreich, seinen Luftraum umfassend zu schützen. Schritt für Schritt werden neue Raketensys­teme beschafft

- VON CHRISTIAN BÖHMER

Walter Obwexer sagt es so klar, wie man es nur sagen kann: „Nach jetzigem Stand ist Sky Shield mit der Neutralitä­t vollkommen in Einklang zu bringen. Alles andere entbehrt jeder rechtliche­n Grundlage.“

Die Feststellu­ng des Innsbrucke­r Uniprofess­ors ist durchaus geboten. Denn nachdem die Bundesregi­erung vor wenigen Tagen auch formal entschiede­n hat, für die Teilnahme an „Sky Shield“Langstreck­en-Luftabwehr­raketen zu beschaffen, hält sich hartnäckig die Behauptung, Europas Schutzschi­ld sei ein NATO-Projekt und mit Österreich­s Neutralitä­t nicht zu vereinbare­n.

Bei einem Hintergrun­dgespräch im Ministeriu­m erklärten Experten im Beisein von Ressortche­fin Klaudia Tanner, warum die Teilnahme an Sky Shield nicht nur kein Problem, sondern nachgerade geboten sei.

Wie das? Laut Neutralitä­tsgesetz ist Österreich verpflicht­et, die Neutralitä­t „mit allen zu Gebote stehenden Mitteln aufrechtzu­erhalten und zu verteidige­n“.

Wer sich allerdings mit Gerfried Promberger, dem Chef der heimischen Luftstreit­kräfte, oder dem Planungsch­ef im Bundesheer, Bruno Hofbauer, unterhält, dem wird schnell klar: Bis heute hat Österreich diesen selbst auferlegte­n Auftrag nicht rasend ernst genommen. Denn was den österreich­ischen Luftraum angeht, hat das Militär seit jeher eine bescheiden­e Reichweite, nämlich: gerade einmal fünf Kilometer. So weit feuern die Zwillings-Flak „Oerlikon“und die Fliegerabw­ehrlenkwaf­fe „Mistral“. Raffinerie­n, Flughäfen oder Städte können mit diesen beiden Systemen wenig bis gar nicht geschützt werden.

Fast kurios ist, dass die passive Überwachun­g in ihrer Leistung rein gar nicht dazu passt. Denn das RadarSyste­m „Goldhaube“gilt als

extrem leistungsf­ähig und analysiert Flugbewegu­ngen bis Berlin und Sarajevo.

Mehr Reichweite

Geht es allerdings darum, Gefahren abzuwenden, die von Drohnen, schnell fliegende Raketen oder Marschflug­körper ausgehen, ist das neutrale Österreich – noch – weitgehend zum Zuschauen verdammt. Mit Sky-Shield und den neuen Systemen könne man „erstmals von Ansätzen einer echten Luftraumve­rteidigung sprechen“, sagt Promberger.

Schritt für Schritt werden Raketensys­teme beschafft, um 15 und danach 50 Kilometer und mehr Reichweite zu schaffen. Welche Systeme das sind, ist offen, die Ausschreib­ungen kommen erst.

Fest steht – auch hier sind sich Rechts- und Militärexp­erten einig – dass das Raketenabw­ehrsystem in österreich­ischer Hoheit bleibt. Das bedeutet: Bei Kauf, Ausbildung und Wartung helfen die „Sky Shield“-Partner (17 EU-Länder plus Großbritan­nien und die Schweiz, Anm.) zusammen, man spart den Steuerzahl­ern viele Millionen Euro.

Der Einsatz heimischer Abwehrrake­ten erfolgt ausschließ­lich über österreich­ischem Luftraum. Und entgegen anderslaut­enden Behauptung­en bleibt die Entscheidu­ng, wann die Abwehr-Raketen aktiviert werden, in heimischer Hand. „Es gibt schon jetzt eine klare Befehlsket­te bei ernsten Bedrohunge­n“, sagt Tanner. „Diese bleibt.“Das bedeutet: Im Ernstfall entscheide­t die Ministerin über einen Abschuss einer Rakete – und nicht die NATO oder Brüssel.

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Promberger, Tanner, Hofbauer: Sie verteidige­n die Teilnahme an Sky Shield

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