Zur Verteidigung der Neutralität
Mit dem Beitritt zum „Sky Shield“beginnt Österreich, seinen Luftraum umfassend zu schützen. Schritt für Schritt werden neue Raketensysteme beschafft
Walter Obwexer sagt es so klar, wie man es nur sagen kann: „Nach jetzigem Stand ist Sky Shield mit der Neutralität vollkommen in Einklang zu bringen. Alles andere entbehrt jeder rechtlichen Grundlage.“
Die Feststellung des Innsbrucker Uniprofessors ist durchaus geboten. Denn nachdem die Bundesregierung vor wenigen Tagen auch formal entschieden hat, für die Teilnahme an „Sky Shield“Langstrecken-Luftabwehrraketen zu beschaffen, hält sich hartnäckig die Behauptung, Europas Schutzschild sei ein NATO-Projekt und mit Österreichs Neutralität nicht zu vereinbaren.
Bei einem Hintergrundgespräch im Ministerium erklärten Experten im Beisein von Ressortchefin Klaudia Tanner, warum die Teilnahme an Sky Shield nicht nur kein Problem, sondern nachgerade geboten sei.
Wie das? Laut Neutralitätsgesetz ist Österreich verpflichtet, die Neutralität „mit allen zu Gebote stehenden Mitteln aufrechtzuerhalten und zu verteidigen“.
Wer sich allerdings mit Gerfried Promberger, dem Chef der heimischen Luftstreitkräfte, oder dem Planungschef im Bundesheer, Bruno Hofbauer, unterhält, dem wird schnell klar: Bis heute hat Österreich diesen selbst auferlegten Auftrag nicht rasend ernst genommen. Denn was den österreichischen Luftraum angeht, hat das Militär seit jeher eine bescheidene Reichweite, nämlich: gerade einmal fünf Kilometer. So weit feuern die Zwillings-Flak „Oerlikon“und die Fliegerabwehrlenkwaffe „Mistral“. Raffinerien, Flughäfen oder Städte können mit diesen beiden Systemen wenig bis gar nicht geschützt werden.
Fast kurios ist, dass die passive Überwachung in ihrer Leistung rein gar nicht dazu passt. Denn das RadarSystem „Goldhaube“gilt als
extrem leistungsfähig und analysiert Flugbewegungen bis Berlin und Sarajevo.
Mehr Reichweite
Geht es allerdings darum, Gefahren abzuwenden, die von Drohnen, schnell fliegende Raketen oder Marschflugkörper ausgehen, ist das neutrale Österreich – noch – weitgehend zum Zuschauen verdammt. Mit Sky-Shield und den neuen Systemen könne man „erstmals von Ansätzen einer echten Luftraumverteidigung sprechen“, sagt Promberger.
Schritt für Schritt werden Raketensysteme beschafft, um 15 und danach 50 Kilometer und mehr Reichweite zu schaffen. Welche Systeme das sind, ist offen, die Ausschreibungen kommen erst.
Fest steht – auch hier sind sich Rechts- und Militärexperten einig – dass das Raketenabwehrsystem in österreichischer Hoheit bleibt. Das bedeutet: Bei Kauf, Ausbildung und Wartung helfen die „Sky Shield“-Partner (17 EU-Länder plus Großbritannien und die Schweiz, Anm.) zusammen, man spart den Steuerzahlern viele Millionen Euro.
Der Einsatz heimischer Abwehrraketen erfolgt ausschließlich über österreichischem Luftraum. Und entgegen anderslautenden Behauptungen bleibt die Entscheidung, wann die Abwehr-Raketen aktiviert werden, in heimischer Hand. „Es gibt schon jetzt eine klare Befehlskette bei ernsten Bedrohungen“, sagt Tanner. „Diese bleibt.“Das bedeutet: Im Ernstfall entscheidet die Ministerin über einen Abschuss einer Rakete – und nicht die NATO oder Brüssel.