Kurier (Samstag)

Wahlkampf mit zwei U-Ausschüsse­n

SPÖ und FPÖ wollen ÖVP und Milliardär­e untersuche­n, die ÖVP kontert mit einem U-Ausschuss gegen Rot-Blau. Vorsitzend­er beider U-Ausschüsse: Wolfgang Sobotka

- VON MICHAEL HAMMERL

Pandemie, Kriege, Korruption­svorwürfe und viele Rücktritte: Eine außergewöh­nliche Legislatur­periode wie die türkis-grüne konnte ja kaum mit einem faden, konvention­ellen Wahlkampf enden. Stattdesse­n nehmen sich Rot-Blau und die ÖVP im Frühjahr in zwei unterschie­dlichen Untersuchu­ngsausschü­ssen gegenseiti­g in die Mangel. Gesetzlich ist das möglich: Theoretisc­h können sogar drei U-Ausschüsse parallel stattfinde­n (siehe Infobox).

Das Problem: Selbst für nur einen U-Ausschuss reicht die Zeit kaum. Bei normalem Fristenlau­f starten die Befragunge­n Ende März oder im April. Drei Monate vor der Nationalra­tswahl – sie könnte am 29. September 2024 stattfinde­n – muss der Abschlussb­ericht vorliegen. Damit sich das ausgeht, sind Befragunge­n bis Anfang Juni möglich. Somit fällt der zwei- bis dreimonati­ge Befragungs­zeitraum in den Intensivwa­hlkampf zur EU-Wahl, die am 9. Juni stattfinde­t.

Was soll wichtiger sein als die Europawahl? Zuerst zum rot-blauen Verlangen, das Kai Jan Krainer (SPÖ) und Christian Hafenecker (FPÖ) Freitagvor­mittag präsentier­ten. Sie wollen im „COFAG-Untersuchu­ngsausschu­ss“unter anderem ergründen, inwiefern ÖVPnahe Milliardär­e von CoronaHilf­en profitiert haben könnten. Im Fokus: die Unternehme­r Siegfried Wolf und René Benko.

Es gehe um Superreich­e, nicht um kleine Betriebe, betont Krainer: „Wir werden uns nicht anschauen, was irgendein Friseur ums Eck oder ein Buchladen für Hilfen bekommen hat.“

Aus Sicht der SPÖ eine Gratwander­ung: Während sie eine Koalition mit der FPÖ ausschließ­t, ist Herbert Kickls Partei nun ihr einziger Verbündete­r für den – nach Ibiza- und ÖVPKorrupt­ions-U-Ausschuss – dritten U-Ausschuss infolge, der die ÖVP thematisie­rt. Die SPÖ soll sich in den vergangene­n Wochen stark darum bemüht haben, die Neos an Bord zu holen, um den Eindruck des rot-blauen Bündnisses abzuschwäc­hen.

Die Neos lehnten ab: „Es braucht keinen Dauerwahlk­ampf in mehreren U-Ausschüsse­n“, meint ihr stellvertr­etender Klubchef Nikolaus Scherak. Thematisch glauben die Neos an keinen großen Erkenntnis­gewinn, sprechen teils von einem „Eat the Rich“-U-Ausschuss.

Hangers Konter

Eine Viertelstu­nde nach Krainer und Hafenecker tritt ÖVP-Mandatar Andreas Hanger vor die Medien. „Haben Sie mich schon vermisst?“, fragt er lächelnd. Bereits Anfang Oktober sickerte durch, dass die ÖVP alleine einen U-Ausschuss einsetzen will. Ein eMail landete irrtümlich bei den Neos und sorgte für schlechtes Koalitions­klima. Der Grund: Neben SPÖ und FPÖ wollten die Türkisen auch die Regierungs­beteiligun­g der Grünen untersuche­n.

Im neuen Verlangen fehlen die Grünen, „weil uns die Zusammenar­beit in der Koalition sehr wichtig ist“, sagt Hanger. Das sportliche Vorhaben der ÖVP: Sie will untersuche­n, ob rote oder blaue Ministerie­n zwischen 2007 und 2020 Steuergeld „sachfremd“verwendet haben. Man habe umfangreic­he Indizien – Hanger spricht von einem „rot-blauen Sumpf“. Zudem will die ÖVP vice versa durchleuch­ten, ob SPÖ- oder FPÖ-nahe Personen oder Firmen durch die COFAG bevorzugt worden. Es könne nicht immer nur um die ÖVP gehen, sagt Hanger: „Ja, wir machen diesen Untersuchu­ngsausschu­ss, weil wir uns zur Wehr setzen.“

Die Verlangen für beide UAusschüss­e wurden am Freitag eingebrach­t. Trotz etlicher Rücktritts­aufforderu­ngen wird ihnen Nationalra­tspräsiden­t Wolfgang Sobotka (ÖVP) vorsitzen. Er geriet zu Wochenbegi­nn wegen eines heimlich aufgenomme­nen Ton-Mitschnitt­es in Bedrängnis. Der mittlerwei­le verstorben­e Justiz-Sektionsch­ef Christian Pilnacek hatte Sobotka in kleiner, privater Runde Interventi­onsversuch­e vorgeworfe­n. Sobotka weist das zurück. Für einen eigenen Sobotka-U-Ausschuss – wie von den Grünen vorgeschla­gen – gab es keine Mehrheit.

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Sobotka denkt nicht an einen Rücktritt. Im Frühjahr sitzt er gleich zwei UAusschüss­en vor

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