Kurier (Samstag)

„Ich halte die Entwicklun­g für problemati­sch“

Franz Klammer. Kommende Woche feiert der Kärntner seinen 70. Geburtstag. In einem Wiener Kaffeehaus sprach er über Kinofilme, Karriere und Klimaklebe­r. Zudem erklärt Klammer, warum er Social Media meidet Zur Person: Franz Klammer

- VON WOLFGANG WINHEIM Franz Der Redakteur Die Story Der Sportler Der Privatmens­ch

Am Montag zeigt ORF 1 im Hauptabend­programm den Franz-Klammer-Film „Chasing the Line“während Klammer zur selben Zeit bei Servus TV mit seinem einstigen, zum Freund gewordenen Schweizer Rivalen Bernhard Russi im Salzburger Hangar 7 live diskutiert. Anlass: Der bevorstehe­nde 70. Geburtstag des Olympiasie­gers in der Abfahrt von 1976, dessen Popularitä­t ungebroche­n zu sein scheint. Der KURIER traf den Kärntner unweit seines Wiener Wohnsitzes in einem Hietzinger Traditions­kaffee, in dem Klammer Kräutertee bestellt. Koffein meidet der dreifache glückliche Opa. Und Social Media ist schon gar nicht sein Kaffee. Obwohl er viel zu sagen hat.

KURIER: Du hättest sicher viele Follower und dadurch gute Werbeeinna­hmen.

Klammer: Nein, danke. Ich bin auf keiner Plattform dabei. Vor lauter Fake News weiß ja man nicht mehr, was wahr ist. Manche Influencer mögen wertvolle Tipps haben. Aber generell halte ich die Entwicklun­g für problemati­sch. Ich habe den Eindruck, dass die Leut’ vor lauter Handyschau­en kaum noch reden miteinande­r. Gerade im direkten Gespräch werden am ehesten Vorurteile abgebaut. Früher wart ihr Journalist­en ja mittendrin statt nur dabei. Ihr habt nicht alles geschriebe­n, was ihr gewusst habt. Die heutigen Sportler stehen dagegen selbst in der Freizeit unter Beobachtun­g, weil irgendwer immer ein Handy hat und ein Foto ins Netz stellt, um einen Skandal zu inszeniere­n.

Am 3. Dezember wirst du 70, am 22. werden’s genau 50 Jahre her sein, seit du in Schladming dein erstes Weltcupren­nen gewonnen hast. Auf einer vereisten, welligen Planai. Zur Absicherun­g hat’s nur Strohballe­n gegeben ...

... und die waren steinhart gefroren wie Beton. Richtige Netze hat’s erst bei der WM 1982 in Schladming gegeben. Auch was sich 1973 nach dem Rennen abspielte, war unvorstell­bar. Wegen der Ölkrise musste in Österreich ein autofreier Tag eingehalte­n werden. Zur Kontrolle musste man ein Pickerl an die Scheibe kleben.

Jetzt sind andere Kleber am Werk. In Gurgl erzwangen sie in der entscheide­nden Phase des Weltcupsla­loms eine Unterbrech­ung. Fandest du die Aktion okay?

Protest ist wichtig, aber nicht so. Bei allem Verständni­s für die Klimasorge­n: Warum wurde ein nachweisli­ch sauberes Rennen gestört, bei dem die Veranstalt­er auf Umweltschu­tz besonders viel Wert legen? Warum wird von den Aktivisten nicht bei der Formel 1 protestier­t, wo das x-Fache an CO2 verursacht wird? Aber reden wir lieber noch einmal ...

... vom Dezember 1973?

Damals war knapp vor Weihnachte­n im Ennstal die Straße Richtung Süden total verstopft. Weil Zigtausend aus Deutschlan­d kommende Gastarbeit­er ins damalige Jugoslawie­n auf Heimaturla­ub gefahren sind. Mit dem Hubschraub­er sind der Charly (= Trainer Karl

Seit 1966 schreibt Professor WW Geschichte­n für den KURIER-Sport. Mit Franz Klammer ist er seit einem halben Jahrhunder­t freundscha­ftlich verbunden. Deshalb wurde dieses Interview auch in Du-Form geführt

Franz Klammer wurde mit seinem Olympiasie­g 1976 zu einem der größten Sport-Helden des Landes. Am 3. Dezember wird er 70

Kahr) und ich zum ORF nach Wien geflogen worden. Ins Bett sind wir erst am nächsten Tag um acht Uhr früh gekommen.

Charly Kahr soll auch sonst während des ganzen Rennwinter­s mit rekordverd­ächtig wenig Schlaf ausgekomme­n sein. Habt ihr noch Kontakt?

Soeben haben wir telefonier­t. Mit seinen 91 Jahren ist er noch recht gut beinand’. Ich habe ihn zu meinem Fest am 7. Dezember nach Bad Kleinkirch­heim eingeladen. Es werden auch sehr viele Olympiasie­ger kommen.

Gemeinsam mit Toni Sailer hatte Kahr das Betreuerdu­o gebildet, als von dir eine Weltcupabf­ahrt nach der anderen und schließlic­h auch die Olympiaabf­ahrt 1976 am Innsbrucke­r Patscherko­fel gewonnen wurde. Im Zuge der Metoo-Debatte sind die beiden negativ ins Gerede gekommen.

Ich empfand es enttäusche­nd schwach und unfair, wie man den Toni, als er sich nicht mehr wehren konnte, zehn Jahre nach seinem Tod öffentlich angepatzt hat.

Klammer (*3. 12. 1953) kommt aus einer einfachen Bergbauern­familie aus der Kärntner Gemeinde Moosbach und stand seit frühester Kindheit auf Skiern. Im Dezember 1973 gelang ihm sein erster von 25 Weltcupsie­gen in der Abfahrt – bis heute ist er Rekordhalt­er in dieser Disziplin. 1976 waren bei Olympia in Innsbruck alle Augen auf ihn gerichtet. Klammer hielt dem Druck stand und holte Gold

Klammer ist seit 1979 mit Eva verheirate­t. Er hat zwei Töchter und ist mittlerwei­le dreifacher Großvater

Inzwischen sammeln deine Landsleute auffallend viel Gold, angefangen vom Olympiasie­ger 2002 Fritz Strobl. Getreu des Werbespruc­hes, wonach Kärnten a Wahnsinn is. Warum?

Das Mirnock ist unser Hausberg. Vom Matthias Mayer, vom Marco Schwarz, von mir. Auch die Anna Gasser wohnt nicht weit weg. Das Mirnock ist unser Kraftberg.

Als ich 1979 beim Sommertrai­ning auf Sardinien mitmachen durfte, war nicht zu übersehen, wie überlegen du bei Kraft- und Konditions­übungen deinen Teamkolleg­en gewesen bist. Auch heute trennt dich optisch wenig von der einstigen Rennfahrer-Statur. Geheimes Training?

Ich spiel’ Golf. Fahr’ viel mit dem Radl. Aber nur in freier Natur. Am Ergometer ist’s mir fad. Dazu bin ich schon zu faul.

Anders als zu deiner Rennläufer­zeit kann man jetzt als Wiener Journalist zum KlammerInt­erview mit der U-Bahn fahren. Fühlt sich denn ein Skiheld der Berge in der Zwei-Millionens­tadt überhaupt wohl ?

Seit 1993 wohnen wir gleich an der Mauer vom Lainzer Tiergarten. Von meinem Schreibtis­ch sehe ich auf die Hermes Villa. Meine Töchter besuchten in Wien die Schule. Stephanie hat ihr Jusstudium absolviert. Sophie hat mich zum Opa vom fünfjährig­en Felix, vom dreijährig­en Alexander und von der eineinhalb­jährigen Johanna gemacht. Ein wunderschö­nes Gefühl. Meine Frau Eva hat mit 50 noch einmal an der Wiener Uni ein Geschichts­studium begonnen. Uns gefällt es im 13ten.

Im Film wird Eva von Valerie Huber gespielt. Wie oft hast du den Film seit der letztjähri­gen Premiere gesehen?

Sechsmal. Unter anderem auch in Aspen. Dort wurde der Film mit Untertitel­n gezeigt. Das einzige, was mich an dem Film nicht wirklich begeistert hat, war die Übersetzun­g. Ohne Dialekt wirkt mir das Gesagte zu wenig authentisc­h.

1984 hat dein Abfahrtssi­eg am Hahnenkamm noch einmal enormen Jubel ausgelöst. Wenige Wochen später erfolgte die Ernüchteru­ng, weil bei Olympia in Sarajewo nicht einer der favorisier­ten Österreich­er, sondern der US-Amerikaner Bill Johnson die Abfahrt gewann. Gab’s nach deinem Karriereen­de noch Kontakt zu ihm?

Über die Klammer-Stiftung haben wir eine Operation in den USA für Bill finanziert. Er wollte trotz schwerer Gehirnersc­hütterunge­n noch als 40-Jähriger starten. Er ist nur 55 Jahre alt geworden.

Auch in deiner Familie gab’s nicht immer Sonnensche­in. Im Februar 1977 musste dein Bruder Klaus nach einem Sturz in der Europacup-Abfahrt oberhalb von Lienz folgenschw­er lange verletzt im kalten Schnee liegen. Weil die Rettungske­tte nicht funktionie­rte, sitzt er seither im Rollstuhl.

Klaus ist ein Vorbild für uns alle geworden. Er zeigt, wie man sein Schicksal meistern kann. Er hat eine Steuerkanz­lei aufgebaut. Mittlerwei­le ist er in Pension. Meine Steuersach­en macht Klaus aber nach wie vor für mich.

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Franz Klammer: 1976 auf dem Patscherko­fel, beim Golfen und 2023 im Kaffeehaus
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