Kurier (Samstag)

Notenbank in der Zinsfalle

Vermögen der OeNB verzinst sich kaum, aber Geschäftsb­anken bekommen vier Prozent für geparkte Gelder. Das ergibt hohe Verluste und wahrschein­lich zehn Jahre keine Dividende für die Republik

- VON MICHAEL BACHNER UND ROBERT KLEEDORFER

Kann die Oesterreic­hische Nationalba­nk (OeNB) pleitegehe­n? Diese Frage beschäftig­t wieder die Öffentlich­keit, seit dem klar ist, dass die OeNB heuer erneut einen Milliarden­verlust in der Größenordn­ung von mehr als zwei Milliarden Euro einfahren wird. Als der KURIER schon Anfang Juli als erste Zeitung darüber berichtete, ging man im OeNB-Direktoriu­m sogar noch von einem Abgang zwischen 2,5 und 3,3 Milliarden Euro aus.

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Schon in der Bilanz 2022 waren es 1,9 Milliarden Euro. So plötzlich sind die Verluste also nicht entstanden, sondern sie sind Ausfluss der Geldpoliti­k in der Eurozone. Wenn man so will, stecken so gut wie alle Notenbanke­n des Euro-Systems in der (selbst aufgestell­ten) Zinsfalle.

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Um nach der Finanzkris­e die Konjunktur in Schuldenlä­ndern wie Italien anzukurbel­n sowie ab 2020 die Folgen der Pandemie abzufedern, wurden jahrelang Staatsanle­ihen

OENB MUSSTE 2022 RÜCKLAGEN AUFLÖSEN Gewinn davon Anteil Bund in Mio. Euro

um Billionen Euro aufgekauft. In Kombinatio­n mit der Nullzinspo­litik konnten sich die Länder – auch Österreich – so günstig finanziere­n. Diese Anleihen verzinsen sich aber kaum noch und müssen in den Notenbank-Bilanzen abgeschrie­ben werden.

Auf der anderen Seite musste man die Zinsen im Kampf gegen die Inflation seit Sommer 2022 kräftig anheben. Um Liquidität aus dem Markt zu bekommen, erhalten Geschäftsb­anken jetzt vier Prozent Zinsen für bei der Zentralban­k geparktes

Geld. Sprich: Die EZB und die Nationalba­nken haben viel zu geringe Einnahmen, bei viel zu hohen Ausgaben. Daraus resultiere­n heuer und in den Folgejahre­n Verluste.

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Betroffen sind aufgrund der sehr ähnlichen Geldpoliti­k nicht nur die Euro-Länder sondern auch die USA, UK und Japan, sagt WIFO-Experte Thomas Url. Auch die deutsche Bundesbank sagt, dass man wegen der Abschreibu­ngsverlust­e aus den Anleihenau­fkaufprogr­ammen erst 2028 oder 2029 wieder Gewinne schreiben wird.

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Der Staat wird unerfreuli­cherweise in den kommenden Jahren keine OeNB-Dividende erhalten. In früheren Jahren waren das immer dreistelli­ge Millionenb­eträge pro Jahr, in Summe also Milliarden.

Schreibt die OeNB wieder Gewinne, wird laut Url zuerst das Eigenkapit­al der OeNB wieder aufgebaut, dann erst gibt es wieder Dividenden. Aktuell geht man von zehn dividenden­losen Jahren aus.

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Nein, denn die Besonderhe­it einer Notenbank liegt ja gerade darin, dass es ihr als einziger Institutio­n erlaubt ist, selbst Geld zu drucken. Daher muss der Staat als Eigentümer in einer Situation wie heute auch nichts nachschieß­en. Und die OeNB muss bei negativem Eigenkapit­al auch keinen Insolvenza­ntrag stellen. Negatives Eigenkapit­al kann – wie etwa bei der Zentralban­k Tschechien­s – jahrelang in der Bilanz stehen bleiben. Die deutsche Bundesbank hat bereits in den 1970er-Jahren – lange vor dem Euro – sieben Jahre lang Verluste geschriebe­n.

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Url rechnet auch 2024 mit weiteren Kursverlus­ten für die Wertpapier­e aus dem EZBAnleihe­n-Ankaufprog­ramm. In der OeNB geht man bereits von 3,5 Milliarden Verlust 2024 aus. Wie in Deutschlan­d wird wahrschein­lich auch die OeNB Verlustvor­träge bilden, die mithilfe künftiger Gewinne wieder ausgeglich­en werden sollen. Fix entschiede­n ist das aber noch nicht. Reserven auflösen kann die OeNB nicht, das hat man schon für die letztjähri­ge Bilanz gemacht.

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Mehr als zwei Milliarden Verlust wird in der OeNB-Bilanz stehen

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