Notenbank in der Zinsfalle
Vermögen der OeNB verzinst sich kaum, aber Geschäftsbanken bekommen vier Prozent für geparkte Gelder. Das ergibt hohe Verluste und wahrscheinlich zehn Jahre keine Dividende für die Republik
Kann die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) pleitegehen? Diese Frage beschäftigt wieder die Öffentlichkeit, seit dem klar ist, dass die OeNB heuer erneut einen Milliardenverlust in der Größenordnung von mehr als zwei Milliarden Euro einfahren wird. Als der KURIER schon Anfang Juli als erste Zeitung darüber berichtete, ging man im OeNB-Direktorium sogar noch von einem Abgang zwischen 2,5 und 3,3 Milliarden Euro aus.
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Schon in der Bilanz 2022 waren es 1,9 Milliarden Euro. So plötzlich sind die Verluste also nicht entstanden, sondern sie sind Ausfluss der Geldpolitik in der Eurozone. Wenn man so will, stecken so gut wie alle Notenbanken des Euro-Systems in der (selbst aufgestellten) Zinsfalle.
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Um nach der Finanzkrise die Konjunktur in Schuldenländern wie Italien anzukurbeln sowie ab 2020 die Folgen der Pandemie abzufedern, wurden jahrelang Staatsanleihen
OENB MUSSTE 2022 RÜCKLAGEN AUFLÖSEN Gewinn davon Anteil Bund in Mio. Euro
um Billionen Euro aufgekauft. In Kombination mit der Nullzinspolitik konnten sich die Länder – auch Österreich – so günstig finanzieren. Diese Anleihen verzinsen sich aber kaum noch und müssen in den Notenbank-Bilanzen abgeschrieben werden.
Auf der anderen Seite musste man die Zinsen im Kampf gegen die Inflation seit Sommer 2022 kräftig anheben. Um Liquidität aus dem Markt zu bekommen, erhalten Geschäftsbanken jetzt vier Prozent Zinsen für bei der Zentralbank geparktes
Geld. Sprich: Die EZB und die Nationalbanken haben viel zu geringe Einnahmen, bei viel zu hohen Ausgaben. Daraus resultieren heuer und in den Folgejahren Verluste.
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Betroffen sind aufgrund der sehr ähnlichen Geldpolitik nicht nur die Euro-Länder sondern auch die USA, UK und Japan, sagt WIFO-Experte Thomas Url. Auch die deutsche Bundesbank sagt, dass man wegen der Abschreibungsverluste aus den Anleihenaufkaufprogrammen erst 2028 oder 2029 wieder Gewinne schreiben wird.
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Der Staat wird unerfreulicherweise in den kommenden Jahren keine OeNB-Dividende erhalten. In früheren Jahren waren das immer dreistellige Millionenbeträge pro Jahr, in Summe also Milliarden.
Schreibt die OeNB wieder Gewinne, wird laut Url zuerst das Eigenkapital der OeNB wieder aufgebaut, dann erst gibt es wieder Dividenden. Aktuell geht man von zehn dividendenlosen Jahren aus.
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Nein, denn die Besonderheit einer Notenbank liegt ja gerade darin, dass es ihr als einziger Institution erlaubt ist, selbst Geld zu drucken. Daher muss der Staat als Eigentümer in einer Situation wie heute auch nichts nachschießen. Und die OeNB muss bei negativem Eigenkapital auch keinen Insolvenzantrag stellen. Negatives Eigenkapital kann – wie etwa bei der Zentralbank Tschechiens – jahrelang in der Bilanz stehen bleiben. Die deutsche Bundesbank hat bereits in den 1970er-Jahren – lange vor dem Euro – sieben Jahre lang Verluste geschrieben.
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Url rechnet auch 2024 mit weiteren Kursverlusten für die Wertpapiere aus dem EZBAnleihen-Ankaufprogramm. In der OeNB geht man bereits von 3,5 Milliarden Verlust 2024 aus. Wie in Deutschland wird wahrscheinlich auch die OeNB Verlustvorträge bilden, die mithilfe künftiger Gewinne wieder ausgeglichen werden sollen. Fix entschieden ist das aber noch nicht. Reserven auflösen kann die OeNB nicht, das hat man schon für die letztjährige Bilanz gemacht.