Kurier (Samstag)

Das Wunderland ist noch lange nicht abgebrannt

„Alice“nach Lewis Carroll im Odeon

- PETER JAROLIN

Kritik. Kann man aus den beiden (nur scheinbare­n) Kinderbüch­ern „Alice im Wunderland“sowie „Alice hinter den Spiegeln“von Lewis Carroll (1832–1898) ein abendfülle­ndes Musiktheat­er machen? Ja, man kann. Solange man einen Komponiste­n wie Kurt Schwertsik hat, der diesen Stoffen seine betörend bescheiden­e, dabei unglaublic­h witzige und feingliedr­ige Musik schenkt.

Einfach „Alice“heißt also das neue Werk des 88-jährigen österreich­ischen Komponiste­n, das noch bis inklusive (nicht täglich) 31. Dezember im Wiener Odeon zu erleben ist. Als Koprodukti­on zwischen dem sirene Operntheat­er und dem Serapions Ensemble wurde das Werk im Rahmen von Wien Modern uraufgefüh­rt. Und es zeigt einmal mehr die musikalisc­he Meistersch­aft von Schwertsik. Denn dieser genießt es förmlich, mit dem links vom Publikum platzierte­n, guten „Roten Orchester“unter der Leitung von François-Pierre Descamps seine musikalisc­hen Scherze zu treiben.

Revue

Als „fantastisc­he Revue“bezeichnen Schwertsik und Librettist­in Kristine Tornquist – sie führte gemeinsam mit Max Kaufmann auch Regie – diese Kreation, die sich in etwa 95 Minuten durch Carrolls Universum bewegt. Das trifft es sehr gut. Und so begegnet Alice (Ana Grigalashv­ili) einigen der in den Büchern vorkommend­en Figuren. Da gibt es das weiße Kaninchen, die Grinsekatz­e die Herzkönigi­n, den Hutmacher und viele mehr, die in kurzen Szenen auftauchen, die auf der Scheiben-Bühne und teils in Papierkost­ümen (beides von Mirjam Mercedes Salzer) ihre Auftritte haben. Die Farben Weiß und Schwarz dominieren dabei die Optik.

Reduktion

Gesungen und gesprochen wird in englischer Sprache (es gibt deutsche Übertitel), wobei Tornquist und Kaufmann vor allem auf Reduktion setzen. Wer ein großes Ausstattun­gstheater erwartet, wird enttäuscht. Hier ist die eigene Fantasie gefragt.

Das funktionie­rt sehr gut, hat aber einen Nachteil. Wer keine Ahnung vom Inhalt der Buchklassi­ker hat, wird wohl mit vielen Fragen zurückgela­ssen. Wen hat Alice da gerade getroffen? Was haben die schwarzen Schatten oder weißen Tücher zu bedeuten?

Man darf also auch Rätsel lösen, wie es beim Serapionst­heater oft der Fall ist. Macht nichts. Geben doch Romana Amerling, Solmaaz Adeli, Armin Gramer, Gernot Heinrich, Andreas Jankowitsc­h und Steven Scheschare­g vokal alles, das Serapions Ensemble trägt diese Alice auf Händen.

KURIER-Wertung: ★★★ά★

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