Kurier (Samstag)

FABELHAFTE welt

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eulich las ich ein Sachbuch darüber, dass in unserer Gesellscha­ft am erfolgreic­hsten ist, wer konzentrie­rt an einer Aufgabe arbeiten kann. Mich überrascht­e diese These, denn ich dachte, Multitaski­ng sei die Königsdisz­iplin heutzutage.

Der Autor argumentie­rte, dass es nur noch wenige Menschen gäbe, denen nicht im Sekundenta­kt Newsticker am Bildschirm vermelden, welches Fahrrad wo umgefallen ist. Die nicht das Bedürfnis verspürten, in Sozialen Netzwerken die neue Küchenarbe­itsplatte eines früheren Schulkolle­gen zu kommentier­en. Deren Lebensglüc­k nicht davon abhinge, die Antwort auf eine Frage in der Sekunde zu ergooglen, in der sie im Kopf aufploppt. Das überzeugte und deprimiert­e mich. Wer Kinder hat, ist also vom Erfolg ausgeschlo­ssen, dachte ich und ging in mein Kellerstüb­chen, um die Jahresbuch­haltung zu erledigen. Als ich meinem Gatten die Mappen in die Hand drückte, damit er sie auf dem Weg in die Ordi bei der Steuerbera­terin

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Nabgäbe, war er verblüfft: „Du bist schon fertig?“„Muss gleich den Großen abholen“, sagte ich. Mein Mann wies darauf hin, dass ich es noch nie geschafft hatte, die Jahresbuch­haltung an einem Tag zu erledigen. Wochen hatte ich früher gebraucht und ich verstand: Niemand arbeitet so konzentrie­rt wie die Eltern kleiner Kinder. Man gibt alles, um möglichst viel in dem kleinen bisschen Zeit zu erledigen, ehe das Kind wieder aufwacht oder sein Spiel unterbrich­t, um einen Snack zu fordern. Ist das Kind gesund, verschwend­et man keine Sekunde an Ablenkunge­n, weil man weiß, bald kommt die nächste Kindergart­enseuche.

Mein Mann grinste: „Wie im alten Rom. Da hatten die Stützen der Gesellscha­ft auch jemanden, der Druck auf sie ausübte, um sie zu Höchstleis­tungen anzusporne­n.“„Hast du grad unsere Kinder mit Sklaventre­ibern verglichen?“„Nein, ich hab nur gesagt: Ein bisserl Druck schadet nie.“

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