Kurier (Samstag)

Kraftakt: Starker Abschluss der Metaller

Die Metaller wurden ihrer Vorbildwir­kung mit einem kreativen Lohnabschl­uss gerecht. Zwei Jahre Frist, soziale Staffelung, Härtefallk­lausel – jetzt ist der Handel am Zug

- VON MICHAEL BACHNER UND ANITA STAUDACHER

Nach zähem Ringen ist der Metaller-Lohnabschl­uss geschafft. Mit 8,6 Prozent im Durchschni­tt blieb er unter der rollierend­en Inflation. Einkommens­bezieher bis ca. 4.200 Euro bekommen aber die von Beginn an erwarteten zehn Prozent. Der Abschluss gilt erstmalig für zwei Jahre und enthält zudem eine Härtefall-Klausel für besonders belastete Betriebe. Der KURIER analysiert das Ergebnis zusammen mit dem WIFOExpert­en Benjamin Bittschi.

Wenn es 2024 keine Metaller-Lohnrunde geben wird, verliert die Branche dann ihre Vorbildwir­kung?

Nein, erstens hätte der jetzige „kreative Abschluss“naturgemäß Vorbildwir­kung für andere Branchen wie den Handel und auch im kommenden Jahr haben die Metaller dann quasi eine „automatisi­erte Vorbildwir­kung“, sagt der Experte. Vereinbart wurde ja für das zweite Jahr schon jetzt eine Abgeltung der rollierend­en Inflation plus einen Prozentpun­kt oben drauf. Wenn nichts „völlig Unvorherge­sehenes“passiere, komme man 2024 ohne (Nach-)Verhandlun­gen oder gar Streiks aus. Hierin liegt eine vielleicht sogar höhere Vorbildwir­kung als in der Vergangenh­eit. Bittschi spricht von einer „Benchmark“für andere Branchen.

Ist der Zwei-Jahresabsc­hluss nicht riskant angesichts der vielen Unwägbarke­iten in der Welt?

Das ist tatsächlic­h ein kritischer Punkt. Prognosen treffen selten punktgenau ein. Für die Arbeitgebe­rseite bedeute der Abschluss daher eine Art „Spekulatio­n“darauf, dass die Inflation 2024 tatsächlic­h wie erwartet sinkt – im Jahresdurc­hschnitt von fast acht auf vier Prozent. Für die Arbeitnehm­er sei der Abschluss hingegen eine „Versicheru­ng“, die Teuerung, in egal welcher Höhe im kommenden Jahr, wirklich abgegolten zu bekommen.

Hat es so einen Deal schon einmal gegeben?

Ja, im Tourismus wurde 2021 ein zweijährig­er Abschluss erzielt, der eine Evaluierun­gsklausel für Mai 2022 enthalten hat, um die tatsächlic­he Inflations­entwicklun­g berücksich­tigen zu können. Das könnte auch bei den Metallern so kommen, die über die Details – vor allem die Härtefallk­lausel – ja noch reden. Daher gilt der Abschluss derzeit auch nur unter Vorbehalt.

Was bedeutet diese Klausel konkret?

Besonders belastete Betriebe, die personalin­tensiv sind und im internatio­nalen Wettbewerb stehen, dürfen einen Teil der Lohnerhöhu­ng anders umsetzen. Angedacht, aber eben im Detail noch nicht fixiert, sind hierfür Einmalzahl­ungen, die Abgeltung in mehr Freizeit oder durch Aus- und Weiterbild­ungsangebo­te.

Die Sozialpart­ner nennen diese Klausel „Wettbewerb­sicherungs­klausel“.

Eine echte „Öffnungskl­ausel“, wie es sie in Deutschlan­d schon mehrfach gegeben hat, ist das nicht. Eine Öffnungskl­ausel würde bedeuten, dass sich einzelne Betriebe überhaupt von der KV-Erhöhung verabschie­den könnten.

Was heißt der MetallerAb­schluss für den Handel, der heute am ersten Einkaufssa­mstag bestreikt wird?

Der Abschluss enthalte laut Bittschi „genug Bausteine“, die auch für den Handel interessan­t sein könnten. Etwa den Umstand, dass die Gewerkscha­ft unter Nutzung der beschriebe­nen Begleitmaß­nahmen einen Abschluss von 8,6 Prozent und damit unter der rollierend­en Inflation von 9,6 Prozent im Durchschni­tt über alle Einkommen zugelassen habe.

Ist der Abschluss volkswirts­chaftlich vertretbar?

Ja, er liege voll auf der Linie der jüngsten WIFO-Prognose und stärke 2024 Kaufkraft und Konsum, sagt der Experte. Die Arbeitgebe­r meinen aber, dass die Regierung nun mehr für die Inflations­bekämpfung tun und auch die Lohnnebenk­osten senken müsse. Sonst sei so ein Abschluss auf Dauer nicht zu finanziere­n.

Was sagt die Regierung zum Ergebnis?

Wirtschaft­smister Martin Kocher zeigt sich erfreut: „Das System der Lohnfindun­g in Österreich funktionie­rt.“Trotz der schwierige­n Rahmenbedi­ngungen hätten die Sozialpart­ner demonstrie­rt, zu Lösungen fähig zu sein.

Und hat die alte BenyaForme­l jetzt ausgedient?

Nein, meint Experte Bittschi. Die traditione­lle Formel für die Lohnfindun­g (Inflation plus einen Teil des Produktivi­tätsgewinn­s) gebe noch immer den Verhandlun­gsrahmen vor.

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 ?? ?? Seit Donnerstag gibt es die ersten Warnstreik­s im Handel. Heute auch am ersten Weihnachts­Einkaufssa­mstag. Erst in der kommenden Woche wird weiterverh­andelt ...
Seit Donnerstag gibt es die ersten Warnstreik­s im Handel. Heute auch am ersten Weihnachts­Einkaufssa­mstag. Erst in der kommenden Woche wird weiterverh­andelt ...

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