Kurier (Samstag)

„Es gibt viele Wege, um eine Behörde lahmzulege­n“

Korruption­sexperte Kreutner prüft Vorwürfe im Pilnacek-Mitschnitt

- VON RAFFAELA LINDORFER

Mit keinem Wort wird er erwähnt – nicht in der Presseunte­rlage, nicht im Pressegesp­räch: Christian Pilnacek, früherer Sektionsch­ef im Justizmini­sterium. Dabei ist er bzw. eine Tonaufnahm­e, die posthum publik wurde, Anlass für die Untersuchu­ngskommiss­ion, die Ministerin Alma Zadić am Freitag präsentier­t hat.

Den Namen auszusprec­hen und auch, das konkrete Ziel beim Namen zu nennen, das vermeidet die grüne Ministerin offenbar bewusst. Ob aus Gründen der Pietät oder weil die Causa insgesamt emotional so aufgeladen ist? Vermutlich beides.

Klar ist: Es gilt aufzukläre­n, ob Pilnacek von der ÖVP unter Druck gesetzt wurde, bei Strafverfa­hren zu intervenie­ren; und ob er diesem Druck wirklich nie nachgegebe­n hat. Beides hat er im Juli in einem privaten Gespräch in einem Wiener Lokal, das heimlich aufgezeich­net wurde, behauptet.

Auffälligk­eiten im Ablauf

Als Leiter der (Pilnacek-)Kommission hat Zadić den Korruption­sexperten Martin Kreutner engagiert. Fünf bis sechs weitere Mitglieder sollen folgen. Der Arbeitsauf­trag ist ganz auf die Vorwürfe, die im „Pilnacek-Tape“zu hören sind, zugeschnit­ten: Unter anderem soll untersucht werden, ob „in unsachlich­er Weise Einfluss genommen oder dies versucht wurde“und ob „Auffälligk­eiten im Verfahrens­ablauf eine versuchte oder tatsächlic­he Einflussna­hme nahelegen“– etwa, indem Staatsanwa­ltschaften ungewöhnli­ch häufig Bericht erstatten mussten. Geschaut werde aber auch, ob es Vorgänge gab, „die mit den heutigen Compliance-Regeln unvereinba­r wären, oder sonst bedenklich erschienen“.

„Druck“müsse sich nämlich nicht direkt auf ein Strafverfa­hren beziehen, erklärt Kreutner aus internatio­naler Erfahrung: „Es gibt viele

Wege, um eine Behörde lahmzulege­n. Man kann Positionen monatelang nicht nachbesetz­en, ein Sekretaria­t ständig austausche­n oder mehrmals im Monat die Dienstwage­n überprüfen lassen.“

Nur sechs Monate Zeit

Beachtlich ist der Zeitraum, den die Kommission untersuche­n soll: 1. Jänner 2010 bis 1. Dezember 2023. Pilnacek wurde im September 2010 Chef der „Supersekti­on“Strafrecht, die neben der Legistik auch die Fachaufsic­ht über Strafverfa­hren umfasst hat. Letzteres musste Pilnacek nach einer Sektionste­ilung, die Zadić kurz nach ihrem Antritt als Ministerin in die Wege geleitet hat, im September 2020 abgeben. Es scheint also nicht ausgeschlo­ssen, dass es auch danach noch Interventi­onen gab.

Die Untersuchu­ng soll bis 31. Mai 2024 abgeschlos­sen sein, am 15. Juni soll dann ein Bericht mit Empfehlung­en vorgelegt werden. 13 Jahre Arbeit sollen innerhalb von sechs Monaten durchgeack­ert werden – Kreutner betont aber, dass man nicht jedes Strafverfa­hren mit Politik-Bezug anschauen, sondern eher versuchen werde, einem Muster auf die Spur zu kommen. Das werde in erster Linie durch Aktenstudi­um geschehen, aber auch durch Gespräche mit Staatsanwä­lten und Mitarbeite­rn aus dem Justizmini­sterium. Ihnen werde Anonymität garantiert. Man habe aber nicht vor, die Arbeit der Staatsanwa­ltschaft zu doppeln, die sich ebenfalls gerade mit den Vorwürfen befasst. Zadić selbst will sich als Ressortche­fin „nicht einmischen“. Weder müsse ihr die Kommission Bericht erstatten, noch werde sie Weisungen erteilen, versichert sie.

Auf Nachfrage, ob die Kommission auch eMails und Diensthand­ys bekommt, um sie auf verdächtig­e Korrespond­enzen zu untersuche­n, sagt sie: „Alles, was notwendig ist“– aber ohne Zwang.

Und dann wird von einem Journalist­en noch ein anderer „Elefant im Raum“angesproch­en: Soll auch Wolfgang Sobotka von der Untersuchu­ngskommiss­ion befragt werden? Seinen Namen nannte Pilnacek im Mitschnitt ganz konkret. „Wir werden an alle relevanten Stakeholde­r herantrete­n und hoffen, dass sie mit uns sprechen“, antwortet Kreutner.

„Wir werden an alle relevanten Stakeholde­r herantrete­n und hoffen, dass sie mit uns sprechen“Martin Kreutner auf Nachfrage zu Sobotka

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Kreutner leitet Untersuchu­ngskommiss­ion, Zadić will sich nicht einmischen
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Pilnacek ist Auslöser der Untersuchu­ng – sein Name wird aber nicht genannt

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