Kurier (Samstag)

EU-Waffen für Ukraine: Leere Verspreche­n, leere Lager, langsame Produktion

Riesiger Verbrauch an Waffen und Munition überforder­t Europas Streitkräf­te und Rüstungsin­dustrie, auch weil gemeinsame Pläne fehlen

- Brüssel verspricht KONRAD KRAMAR, BRÜSSEL

Geld. 15.000 Granaten pro Tag, so viel verschießt – zumindest laut der Militärfüh­rung in Kiew – die Ukraine. Eine Menge, die die europäisch­e, aber sogar die US-Rüstungsin­dustrie überforder­t. Großzügige politische Verspreche­n wie die Lieferung von einer Million Granaten lassen sich nicht einhalten. Das musste auch EU-Kommission­schefin Ursula von der Leyen bei einer Konferenz der EU-Verteidigu­ngsagentur EDA in Brüssel eingestehe­n.

Knapp die Hälfte sei geliefert oder zumindest in der Produktion. Eine „Mobilisier­ung von Europas Rüstungsin­dustrie“fordert Von der Leyen, und verspricht, „dass wir uns auf den Ausbau der

Produktion konzentrie­ren werden.“Geld hat die EUSpitze reichlich versproche­n. 500 Millionen Euro aus der gemeinsame­n EU-Kasse, weitere 500 Millionen von den Mitgliedss­taaten. Dazu kommen die Milliarden an Militärhil­fe für die Ukraine, die auch zum Teil für die Produktion von Waffen und Munition in der EU verwendet werden. Doch damit ist der Mangel an Waffen und Munition, wie er nicht nur an der Front in der Ukraine, sondern inzwischen auch bei den meisten EU-Armeen herrscht, noch längst nicht behoben.

Denn abseits der Reden von gesteigert­en Kapazitäte­n und verbessert­er Zusammenar­beit

von Europas Rüstungsin­dustrie stößt die von der Politik geforderte Vervielfac­hung der Produktion auf einige Probleme.

Man habe nicht damit gerechnet, solche Mengen je wieder zu brauchen, erklären Rüstungsfa­chleute dem KURIER: Politische Verspreche­n allein würden der Industrie nicht ausreichen. Es brauche fixe Verträge über mehrere Jahre, „dann erst beginnt man zu produziere­n.“Bei Mengen, wie sie derzeit gebraucht würden, gebe es allerdings nicht nur bei der Herstellun­g Engpässe, sondern etwa auch bei Rohstoffen.

Um das Ganze zu beschleuni­gen, wolle die EUKommissi­on bei der Rüstungspr­oduktion nicht nur

Geld hergeben, sondern auch die Industrie mehr an die Kandare nehmen: So lauten zumindest aktuelle Berichte in Brüssel. Auf KURIER-Nachfrage bestritten hochrangig­e Beamte der Kommission solche Pläne. Man wolle lediglich mitreden, aber keineswegs der Industrie etwas verordnen.

Wenig Kooperatio­n

Die europaweit­e Zusammenar­beit aber, die manche der Rüstungsbo­sse in der Öffentlich­keit zusagen, funktionie­rt in der Praxis nur beschränkt. Große deutsche, oder französisc­he Waffenschm­ieden legen in der Praxis keinen großen Wert darauf, gemeinsam zu produziere­n – und das für eine EU, die dann auch gemeinsam bei ihnen bestellen würde. Das Geschäft mit Waffen ist umso lukrativer je mehr Kunden man hat, die jeweils nur kleine Stückzahle­n bestellen. Eine EU, die die Bewaffnung der Ukraine, aber auch ihrer eigenen Streitkräf­te zentral plant, könnte so niedrigere Preise heraushand­eln – und die derzeit riesigen Gewinne der Firmen schmälern. Auch wollen die deutschen und französisc­hen Platzhirsc­hen kleineren Firmen, etwa aus Tschechien, nur sehr ungern Platz auf dem Rüstungsma­rkt überlassen. Die Klage der Kommission­schefin – „Europas Länder kaufen Waffen allein – und in Übersee“– wird wohl noch eine Zeit lang gelten.

 ?? ?? Der Krieg in der Ukraine verschling­t gigantisch­e Mengen an Waffen und Munition: Die Lager sind überall leer
Der Krieg in der Ukraine verschling­t gigantisch­e Mengen an Waffen und Munition: Die Lager sind überall leer

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