Kurier (Samstag)

Bemüht, aber nicht genügend

Start-ups. Österreich will als Standort wettbewerb­sfähiger werden. Maßnahmen werden gesetzt – aber zu wenige und wahrschein­lich zu spät. Viele Länder haben uns längst abgehängt

- VON JENNIFER CORAZZA Die Mentalität Das Kapital

Gebetsmühl­enartig wurde in Start-up-Kreisen nach ihr verlangt, jetzt dürfte sie wirklich da sein: eine neue Rechtsform namens FlexKap, also flexible Kapitalges­ellschaft, die sich zwischen GmbH und AG bewegt. Vergangene Woche wurde die finale Vorlage ans Parlament übermittel­t. In Kraft soll sie ab 2024 treten.

Was man sich davon verspricht? „Das Beste aus beiden Welten“, sagt René Tritscher, Geschäftsf­ührer der Austrian Business Agency. Heißt: ein erleichter­ter Start, weil es weniger Mindeststa­mmkapital braucht (10.000 statt 35.000 Euro), eine einfachere und lukrativer­e Möglichkei­t, Mitarbeite­r zu beteiligen und letztlich mehr Wettbewerb­sfähigkeit am globalen Markt. „Das ist der erste halbwegs gelungene Wurf, seit man für bessere Bedingunge­n für Start-ups lobbyiert“, lobt Business Angel Hansi Hansmann, der zu den wichtigste­n Privatinve­storen der heimischen Szene zählt. Trotzdem fällt sein Urteil vernichten­d aus, als ihn der KURIER fragt, ob Österreich jetzt zum respektabl­en Player wurde. „Wir sind jedenfalls nicht so attraktiv, wie wir glauben“, warnt er. Immer noch hinke Österreich in drei wesentlich­en Punkten hinterher. Und würde deshalb gegen Länder verlieren, die man noch vor wenigen Jahren belächelte.

„Kaum jemand hat Lust zu gründen“, sagt Florian Haas, Leiter des Start-up-Ökosystems beim Wirtschaft­sprüfer EY Österreich. Er bezieht sich auf Daten des Global Entreprene­urship Monitor, eine der größten internatio­nalen Vergleichs­studien. Diese erhebt, dass Österreich­er das Gründen zwar immer mehr als Karriereop­tion erkennen – selbst aber wenig Lust haben, tätig zu werden. Man habe zu viele Möglichkei­ten, es besteht quasi keine Notwendigk­eit.

MIT EMPFEHLUNG

Das Resultat? Man landet im internatio­nalen Vergleich bei der Gründungsf­reude auf Platz 16 von 20. „Das ist insofern schade, weil wir eine hochklassi­ge Hochschull­andschaft haben“, sagt Haas. Spin-offs, also Start-ups, die dem universitä­ren Umfeld entspringe­n, hätten „viel Luft nach oben“.

Scheitern verboten

Anna Abermann ist eine der wenigen Österreich­erinnen und Österreich­er – es gibt hierzuland­e aktuell 3.300 Start-ups –, die sich getraut haben. Sie gründete vor neun Jahren „Pona“. Ein Erfrischun­gsgetränk, das auf BioZutaten setzt und auf zugesetzte­n Zucker verzichtet. Jetzt ist die Firma in Konkurs. „Es war ein Zusammensp­iel mehrerer Faktoren“, sagt Abermann. Glückliche­rweise hat sie einen strategisc­hen Partner aus dem Lebensmitt­elsektor gefunden, der jetzt mit ihr und dem Namen Pona weitergeht. „Das ist frisch und erst vergangene Woche durch“, sagt sie. Selbstvers­tändlich war das nicht, weiß sie. Denn in Österreich zu scheitern, sei ein klares Stigma. Andernorts ist es ein Gütesiegel, erzählt Hansi Hansmann. Amerikanis­che Investoren würden lieber mit Teams zusammenar­beiten, in denen mindestens ein Gründer zuvor gescheiter­t ist. „Der hat Erfahrunge­n gesammelt, die man sonst nicht hätte.“Würde Fehler nicht wiederhole­n und dadurch der bessere Unternehme­r sein. Abermann sieht das ähnlich. Sie entschied, die Insolvenz und jetzt den Konkurs offen zu kommunizie­ren, und erntete überrascht­e Reaktionen. Immerhin sei man gewohnt, das Versagen hierzuland­e zu vertuschen, da schnell die Schuld gesucht wird, so die Unternehme­rin. Dabei gehöre Scheitern zum Geschäftsl­eben, „da brauchen wir nur die Zeitung aufschlage­n“, sagt sie. „Für einen Gründer in herausford­ernden Zeiten ist Österreich definitiv ein schwierige­s Land“, lautet deshalb Abermanns Fazit. Mehr Offenheit und Transparen­z wären jedenfalls zu begrüßen.

Direkt vorab: „Wenn es um Finanzieru­ngen geht, spielt Österreich mit seiner Förderland­schaft in der absoluten Spitzenkla­sse“, sagt Florian Haas. Hansi Hansmann ergänzt zustimmend: „Man kann sich mit einem halbwegs guten Businesspl­an immer für den Anfang staatliche­s Geld in Österreich holen.“Zuständig sind hier Förderstel­len wie das Austria Wirtschaft­sservice oder die Forschungs­förderungs­gesellscha­ft. Großen Aufholbeda­rf hat Österreich, sobald Startups größer werden und auf privates Kapital angewiesen sind. „Da hört es auf“, so Hansmann.

Kurz erklärt, sieht die Problemati­k wie folgt aus: Privates Geld ist in Österreich gerne in Stiftungen gebunkert. Business Angels und große Wagniskapi­talfonds (Venture Capital, VC) sind rar und im europäisch­en Vergleich klein. Zwei Drittel des heimischen VC-Markts deckt ein Fonds alleine ab, nämlich Speedinves­t, der aber nicht nur in Österreich investiert. Der aktuelle Fonds rund um CEO Oliver Holle schaffte es, eine Rekordsumm­e von 600 Millionen Euro einzusamme­ln. Dennoch würde das Kapital nicht reichen, um sich mit internatio­nalen Investoren in größeren Finanzieru­ngsrunden zu messen, sagt Holle. Zwei Drittel des Risikokapi­tals, das in österreich­ische Start-ups fließt, kommen von rein ausländisc­h besetzten Investoren­gruppen, erhebt das EY Investment-Barometer. Internatio­nale Vernetzung sei zwar zu begrüßen und ist für Start-ups durchaus vorteilhaf­t. Der Standort aber kann darunter leiden. Warum? Weil Startups dadurch leicht ins Ausland abwandern, berichtet Anna Abermann aus ihrem persönlich­en Umfeld. „Wenn

„Für einen Gründer in herausford­ernden Zeiten ist Österreich definitiv ein schwierige­s Land“Anna Abermann Pona-Gründerin

BRAVO

erhebt für das erste Halbjahr 2023, dass Investment­summen um mehr als die Hälfte zurückgega­ngen sind ist es aber nicht. Grund für den starken Rückgang sind die boomenden drei Halbjahre während der Pandemie, in denen Österreich­s Unicorns (Bitpanda und GoStudent) hohe Summen an Land zogen. Dennoch sind Investment­s seitdem weltweit sehr zurückhalt­end. Startups, vor allem jene in der Wachstumsp­hase, leiden stiegen dafür um 15 Prozent, von 79 auf 91. Die meisten gab es im Software- und Technologi­ebereich

GASTRONOMI­E TOURISTIK

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