Bemüht, aber nicht genügend
Start-ups. Österreich will als Standort wettbewerbsfähiger werden. Maßnahmen werden gesetzt – aber zu wenige und wahrscheinlich zu spät. Viele Länder haben uns längst abgehängt
Gebetsmühlenartig wurde in Start-up-Kreisen nach ihr verlangt, jetzt dürfte sie wirklich da sein: eine neue Rechtsform namens FlexKap, also flexible Kapitalgesellschaft, die sich zwischen GmbH und AG bewegt. Vergangene Woche wurde die finale Vorlage ans Parlament übermittelt. In Kraft soll sie ab 2024 treten.
Was man sich davon verspricht? „Das Beste aus beiden Welten“, sagt René Tritscher, Geschäftsführer der Austrian Business Agency. Heißt: ein erleichterter Start, weil es weniger Mindeststammkapital braucht (10.000 statt 35.000 Euro), eine einfachere und lukrativere Möglichkeit, Mitarbeiter zu beteiligen und letztlich mehr Wettbewerbsfähigkeit am globalen Markt. „Das ist der erste halbwegs gelungene Wurf, seit man für bessere Bedingungen für Start-ups lobbyiert“, lobt Business Angel Hansi Hansmann, der zu den wichtigsten Privatinvestoren der heimischen Szene zählt. Trotzdem fällt sein Urteil vernichtend aus, als ihn der KURIER fragt, ob Österreich jetzt zum respektablen Player wurde. „Wir sind jedenfalls nicht so attraktiv, wie wir glauben“, warnt er. Immer noch hinke Österreich in drei wesentlichen Punkten hinterher. Und würde deshalb gegen Länder verlieren, die man noch vor wenigen Jahren belächelte.
„Kaum jemand hat Lust zu gründen“, sagt Florian Haas, Leiter des Start-up-Ökosystems beim Wirtschaftsprüfer EY Österreich. Er bezieht sich auf Daten des Global Entrepreneurship Monitor, eine der größten internationalen Vergleichsstudien. Diese erhebt, dass Österreicher das Gründen zwar immer mehr als Karriereoption erkennen – selbst aber wenig Lust haben, tätig zu werden. Man habe zu viele Möglichkeiten, es besteht quasi keine Notwendigkeit.
MIT EMPFEHLUNG
Das Resultat? Man landet im internationalen Vergleich bei der Gründungsfreude auf Platz 16 von 20. „Das ist insofern schade, weil wir eine hochklassige Hochschullandschaft haben“, sagt Haas. Spin-offs, also Start-ups, die dem universitären Umfeld entspringen, hätten „viel Luft nach oben“.
Scheitern verboten
Anna Abermann ist eine der wenigen Österreicherinnen und Österreicher – es gibt hierzulande aktuell 3.300 Start-ups –, die sich getraut haben. Sie gründete vor neun Jahren „Pona“. Ein Erfrischungsgetränk, das auf BioZutaten setzt und auf zugesetzten Zucker verzichtet. Jetzt ist die Firma in Konkurs. „Es war ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren“, sagt Abermann. Glücklicherweise hat sie einen strategischen Partner aus dem Lebensmittelsektor gefunden, der jetzt mit ihr und dem Namen Pona weitergeht. „Das ist frisch und erst vergangene Woche durch“, sagt sie. Selbstverständlich war das nicht, weiß sie. Denn in Österreich zu scheitern, sei ein klares Stigma. Andernorts ist es ein Gütesiegel, erzählt Hansi Hansmann. Amerikanische Investoren würden lieber mit Teams zusammenarbeiten, in denen mindestens ein Gründer zuvor gescheitert ist. „Der hat Erfahrungen gesammelt, die man sonst nicht hätte.“Würde Fehler nicht wiederholen und dadurch der bessere Unternehmer sein. Abermann sieht das ähnlich. Sie entschied, die Insolvenz und jetzt den Konkurs offen zu kommunizieren, und erntete überraschte Reaktionen. Immerhin sei man gewohnt, das Versagen hierzulande zu vertuschen, da schnell die Schuld gesucht wird, so die Unternehmerin. Dabei gehöre Scheitern zum Geschäftsleben, „da brauchen wir nur die Zeitung aufschlagen“, sagt sie. „Für einen Gründer in herausfordernden Zeiten ist Österreich definitiv ein schwieriges Land“, lautet deshalb Abermanns Fazit. Mehr Offenheit und Transparenz wären jedenfalls zu begrüßen.
Direkt vorab: „Wenn es um Finanzierungen geht, spielt Österreich mit seiner Förderlandschaft in der absoluten Spitzenklasse“, sagt Florian Haas. Hansi Hansmann ergänzt zustimmend: „Man kann sich mit einem halbwegs guten Businessplan immer für den Anfang staatliches Geld in Österreich holen.“Zuständig sind hier Förderstellen wie das Austria Wirtschaftsservice oder die Forschungsförderungsgesellschaft. Großen Aufholbedarf hat Österreich, sobald Startups größer werden und auf privates Kapital angewiesen sind. „Da hört es auf“, so Hansmann.
Kurz erklärt, sieht die Problematik wie folgt aus: Privates Geld ist in Österreich gerne in Stiftungen gebunkert. Business Angels und große Wagniskapitalfonds (Venture Capital, VC) sind rar und im europäischen Vergleich klein. Zwei Drittel des heimischen VC-Markts deckt ein Fonds alleine ab, nämlich Speedinvest, der aber nicht nur in Österreich investiert. Der aktuelle Fonds rund um CEO Oliver Holle schaffte es, eine Rekordsumme von 600 Millionen Euro einzusammeln. Dennoch würde das Kapital nicht reichen, um sich mit internationalen Investoren in größeren Finanzierungsrunden zu messen, sagt Holle. Zwei Drittel des Risikokapitals, das in österreichische Start-ups fließt, kommen von rein ausländisch besetzten Investorengruppen, erhebt das EY Investment-Barometer. Internationale Vernetzung sei zwar zu begrüßen und ist für Start-ups durchaus vorteilhaft. Der Standort aber kann darunter leiden. Warum? Weil Startups dadurch leicht ins Ausland abwandern, berichtet Anna Abermann aus ihrem persönlichen Umfeld. „Wenn
„Für einen Gründer in herausfordernden Zeiten ist Österreich definitiv ein schwieriges Land“Anna Abermann Pona-Gründerin
BRAVO
erhebt für das erste Halbjahr 2023, dass Investmentsummen um mehr als die Hälfte zurückgegangen sind ist es aber nicht. Grund für den starken Rückgang sind die boomenden drei Halbjahre während der Pandemie, in denen Österreichs Unicorns (Bitpanda und GoStudent) hohe Summen an Land zogen. Dennoch sind Investments seitdem weltweit sehr zurückhaltend. Startups, vor allem jene in der Wachstumsphase, leiden stiegen dafür um 15 Prozent, von 79 auf 91. Die meisten gab es im Software- und Technologiebereich
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