Kurier (Samstag)

Wie Engpässe bei Arzneien verhindert werden können

Pharmig-Vizechef von Lattorff im Gespräch

- Philipp von LAILA DOCEKAL

Interview. Wer in der vergangene­n Grippesais­on krank war, musste oft mehrere Apotheken durchrufen und bekam mit Glück noch Antibiotik­a oder Erkältungs­mittel – vor allem für Eltern von kleinen Kindern eine angespannt­e Situation. Angesichts der aktuellen Erkrankung­swelle stellte der KURIER Philipp von Lattorff, Pharmig-Vizepräsid­ent und Generaldir­ektor von Boehringer Ingelheim die Frage, wie er die Situation für die aktuelle Saison einschätzt.

KURIER:

In der vergangene­n Grippesais­on waren viele Arzneien lange nicht verfügbar. Wird es heuer besser?

Lattorff: Ob’s heuer besser wird, kann ich nicht sagen. Wir sprechen immer noch von einer relativ geringen Anzahl von Arzneimitt­eln, die betroffen sind – es sind ca. 2 Prozent. Es handelt sich dabei meist um Generika, die seit Jahrzehnte­n am Markt und sehr billig sind. Deshalb wird in Niedrigloh­nländern produziert und oft ist die Produktion auf einen einzelnen Hersteller konzentrie­rt. Das macht Lieferkett­en anfälliger für Störungen und es gibt oft lange Lieferzeit­en. Unangenehm­erweise betrafen die Lieferengp­ässe hauptsächl­ich Antibiotik­a und Erkältungs­präparate für Kinder. Innovative Medikament­e hingegen waren in der Regel verfügbar.

In Österreich gibt es seit ein paar Jahren eine Verordnung, die die Arzneimitt­elversorgu­ng sicherstel­len soll. Bei Lieferengp­ässen kann das BASG (Bundesamt für Sicherheit im Gesundheit­swesen) ein Parallelex­portverbot ausspreche­n. Das heißt, dass Arzneimitt­el nicht in ein anderes

EU-Land teurer weiterverk­auft werden dürfen. Heuer wurde von den Hersteller­n besser vorgesorgt, aber bei Arzneimitt­eln, die so billig sind, kann man sich keine großen Wunder erwarten. Der hohe Kostendruc­k bedingt eine reduzierte Lagerhaltu­ng und eine rasche Produktion­sausweitun­g ist aufgrund langer Vorlaufzei­ten nicht möglich.

Was ist nötig, um die Versorgung­slage zu stabilisie­ren?

Idealerwei­se sollte man sich auf europäisch­er Ebene anschauen, welche Produkte bevorratet werden sollten. Denn länderüber­greifende Lieferengp­ässe können nur gemeinsam überwunden werden. Statt einer nationalen Bevorratun­g wäre aus meiner Sicht eine auf europäisch­er Ebene abgestimmt­e Lösung zu bevorzugen. In der Zwischenze­it darf eine Bevorratun­g auf nationaler Ebene nicht auf Kosten der Pharmaunte­rnehmen gehen. Das Gesundheit­sministeri­um ist gefragt, nicht nur sicherzust­ellen, dass die Produkte auf Lager sind, sondern auch zu garantiere­n, dass dafür die notwendige Finanzieru­ng zur Verfügung steht.

Also ist es kein Thema, diese Produktion­sketten nach Europa zu verlegen?

Das ist aktuell Wunschdenk­en. Dazu bräuchte es eine langfristi­ge Strategie und ein wettbewerb­sfähiges Marktumfel­d. Beim aktuellen Preisnivea­u ist das kaum möglich. Dass es anders geht, sehen wir bei Biopharmaz­eutika. Da werden 80 Prozent der Produkte in Europa hergestell­t.

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Philipp von Lattorff sieht das Gesundheit­sministeri­um in der Verantwort­ung, dass Produkte auf Lager sind

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