Kurier (Samstag)

Ein globaler Stresstest für die Klimapolit­ik

Die COP28 muss einen Plan für den Ausstieg aus fossilen Energien liefern

- THOMAS ZEHETNER Thomas Zehetner

2023 wird das heißeste Jahr der letzten 125.000 Jahre sein, so viel lässt sich anhand der vorliegend­en Daten bereits jetzt mit großer Sicherheit sagen. Die Auswirkung­en sind rund um den Globus spürbar. Ausgedehnt­e Hitzewelle­n, wochenlang­e Waldbrände und Überflutun­gen gehören mittlerwei­le zur „neuen Normalität“. Wir stehen am Beginn einer Beschleuni­gung extremer Wettererei­gnisse.

Vor diesem Hintergrun­d findet auf der diesjährig­en Klimakonfe­renz COP28 in

Dubai die im Pariser KlimaÜbere­inkommen vorgesehen­e erste „Globale Bestandsau­fnahme“statt. Diese ähnelt einem globalen Stresstest für die Klimapolit­ik. Ist die Staatengem­einschaft tatsächlic­h auf dem Weg zum 1,5-Grad-Limit? Wie sind die bisherigen Anstrengun­gen zu bewerten? Spoilerwar­nung! Wir sind absolut nicht auf Kurs. Es gibt eine große Lücke zwischen den steigenden CO2-Emissionen und dem wissenscha­ftlich erforderli­chen Minderungs­pfad. Genauso wie bei einem negativen Stresstest in der Finanzwirt­schaft ist jetzt eine ungeschönt­e Bilanz notwendig, die zu einer überfällig­en Kurskorrek­tur führt.

Was bedeutet das konkret für die COP28? Alle Staaten müssen ihre nationalen Klimaschut­zpläne für 2030 rasch nachbesser­n und für 2035 ambitionie­rte Ziele im Einklang mit dem 1,5Grad-Limit festlegen. Nur so lässt sich die Lücke zwischen Ambition und Realität schließen. Dazu braucht es verbindlic­he Vorgaben und eine stärkere Rechenscha­ftspflicht, die nicht nur Staaten, sondern auch große Unternehme­n trifft.

Ein weiterer Knackpunkt ist die Festlegung eines Plans für den globalen Ausstieg aus allen fossilen Energieträ­gern bis spätestens 2050. Rückblicke­nd mutet es absurd an, dass Kohle, Öl und Gas erst auf der Klimakonfe­renz in Glasgow im Jahr 2021 ins Zentrum der Diskussion­en rückten. Bis dahin waren fossile Energieträ­ger – immerhin für rund 75 Prozent der weltweiten Emissionen verantwort­lich – der sprichwört­liche „Elefant im Raum“. Durch den Umstand, dass die COP28 mit den Vereinten Arabischen

Emiraten einen Erdöl produziere­nden Staat als Gastgeber hat und der COP-Präsident gleichzeit­ig Chef des staatliche­n Ölkonzerns ist, entstand im Vorfeld ein politische­s Momentum für den Ausstieg. Ein wichtiges politische­s Signal der COP28 wäre zudem die Verankerun­g des Ziels der Verdoppelu­ng der Energieeff­izienz sowie die Verdreifac­hung beim Ausbau der erneuerbar­en Energien bis 2030.

Wir können uns keine weitere schwache Klimakonfe­renz wie im Vorjahr in Ägypten leisten. Die Frage vor der COP28 lautet daher: Geht es vorwärts oder rückwärts in der Klimapolit­ik? Derzeit gibt es Kräfte in beide Richtungen. Die „Globale Bestandsau­fnahme“, auf halbem Weg zwischen dem Pariser Klima-Übereinkom­men 2015 und dem Jahr 2030, ist damit ein wichtiger Test für die Ernsthafti­gkeit der Staatengem­einschaft, die Klimaziele für 2030 zu erreichen. So wie es in Paris eine globale Einigung über die Dringlichk­eit der Klimakrise gab, braucht es in Dubai eine Einigung über ihre Lösung: den Ausstieg aus fossilen Energien.

*** ist Klimaexper­te des WWF und reist zur COP28 nach Dubai

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Die UN-Klimakonfe­renz findet in Dubai statt, einem Land, das mit Öl gute Geschäfte macht
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