Kurier (Samstag)

In welchen Fällen kann man ein Nottestame­nt errichten?

- Rechtprakt­isch@kurier.at

Eine Bekannte hat mir vor Kurzem erzählt, dass sie gehört hat, dass es gar nicht so komplizier­t ist, ein Testament zu erstellen, in dringenden Fällen kann man sowieso mündlich testieren. Ganz so einfach kann ich mir das aber nicht vorstellen, ich habe noch nie davon gehört, dass man seine letztwilli­ge Verfügung auch rein mündlich regeln kann. Könnten Sie vielleicht über diese Regelung auf klären?

Benedikt L., Salzburg

Lieber Herr L., wovon Ihnen hier erzählt wurde, ist das sogenannte Nottestame­nt. Dieses findet sich in § 584 ABGB. Der Begriff Nottestame­nt ist dabei wörtlich zu verstehen. Diese Form der letztwilli­gen Verfügung ist tatsächlic­h nur in ganz besonderen Notfällen und als letzter Ausweg möglich. Es gibt daher auch nur sehr selten Fälle, in denen ein Nottestame­nt zulässig ist.

Voraussetz­ung ist dabei zunächst, dass eine unmittelba­r drohende Gefahr des Todes oder des Verlustes der Testierfäh­igkeit vorliegt. Dabei geht es in erster Linie um den subjektive­n Eindruck des Erblassers. Dieser muss allerdings objektiv begründet werden können, die Gefahrenla­ge muss für Dritte also nachvollzi­ehbar sein. Die Gefahr muss auch so beschaffen sein, dass es keine Möglichkei­t gibt, in anderer Form zu testieren. Ein klassische­s Beispiel wäre ein Unfall beim Bergsteige­n oder ein mündliches Testament Momente vor einer Notoperati­on.

Die Voraussetz­ungen sind recht streng, es sollte also immer versucht werden, das Testament auf eine andere Weise zu verfassen, beispielsw­eise indem man jedenfalls noch einen Notar ruft. Es gibt zwei verschiede­ne Arten eines Nottestame­nts, das fremdhändi­ge schriftlic­he und das mündliche Nottestame­nt. Die Besonderhe­iten des Nottestame­nts liegen darin, dass einerseits eben mündliche Verfügunge­n zugelassen sind, die Zeugenzahl auf zwei reduziert ist und auch mündige Minderjähr­ige Zeugen sein können. Ansonsten gelten für das schriftlic­he Testament die gleichen Erforderni­sse, zum Beispiel die Unterschri­ft des Erblassers und der handschrif­tliche Zusatz, dass das Geschriebe­ne seinem letzten Willen entspricht. Im Fall der mündlichen Erklärung ist es erforderli­ch, dass der Erblasser nicht bloß Vorschläge­n der Zeugen zustimmt, sondern in freier Rede seinen letzten Willen bekannt gibt.

Es müssen daher sowohl bei mündlichen als auch bei dritthändi­gen schriftlic­hen Nottestame­nten mindestens zwei Zeugen gleichzeit­ig anwesend sein, die nicht selbst bedacht werden. Diese müssen den Inhalt der mündlichen Erklärung in einer vom Gerichtsko­mmissar zu diesem Zweck durchgefüh­rten Tagsatzung wiedergebe­n. Nur bei übereinsti­mmenden Aussagen ist das Testament gültig, bei teilweiser Übereinsti­mmung ist es in Teilen gültig. Selbstvers­tändlich geht es dabei um inhaltlich­e Einigkeit,

nicht wörtliche. Während das Nottestame­nt gilt, tritt ein allenfalls zuvor errichtete­s Testament außer Kraft. Ein wichtiger Aspekt ist, dass das Nottestame­nt allerdings drei Monate nach Wegfall der Gefahr seine Gültigkeit verliert.

Nach Ablauf der drei Monate lebt die zuvor außer Kraft getretene Verfügung wieder auf. Letztendli­ch ist das Nottestame­nt somit tatsächlic­h nur auf außergewöh­nliche Notfälle beschränkt. Besser ist es in Ruhe ohne Notlage ein formgültig­es Testament zu errichten.

*** Rechtsanwä­ltin Dr. Maria In der Maur-Koenne beantworte­t juristisch­e Fragen zu praktische­n Fällen aus dem Reich des Rechts.

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