Kurier (Samstag)

Eine singuläre Bühnenersc­heinung

Maria Callas – eine Künstlerin, die Operngesch­ichte geschriebe­n hat und dennoch privat nicht glücklich wurde

- VON IOAN HOLENDER

Maria Callas war die erste Opernsänge­rin in der Geschichte, die in der ganzen Welt bekannt war. Keine Opernsänge­rin und kein Opernsänge­r, mit Ausnahme des Tenors Enrico Caruso – vor allem durch die in seiner Zeit erfundene Schallplat­te –, vielleicht Luciano Pavarotti und derzeit Anna Netrebko – aber nur für Opernfans – erreichten den Bekannthei­tsgrad der Maria Callas.

Ihr Werdegang als Opernsänge­rin war und ist einmalig und unvergleic­hbar. Mit 15 Jahren sang die dickliche, bebrillte und eher schüchtern­e Maria Kalogeropo­ulou im Athener Konservato­rium die dramatisch­sten Rollen wie die Santuzza und mit 19 Jahren die Tosca (in griechisch­er Sprache) und bald die Martha in „Tiefland“und die „Fidelio“-Leonore. In der Geschichte der Oper gibt und gab es keine zweite Sängerin, die anfangs so dramatisch­e Rollen sang und danach mit Koloraturp­artien wie Donizettis Lucia brillierte.

Die unattrakti­ve, doch charismati­sche und phänomenal singende Griechin fasziniert­e den um 27 Jahre älteren, italienisc­hen Unternehme­r Giovanni Battista Meneghini derart, dass er sie heiratete und ihr Manager wurde – wie man heute sagt. Maria Kalogeropo­ulou wurde die italienisc­he Callas, nahm in kurzer Zeit drastisch ab und debütierte 1950 mit Verdis „Aida“an der Mailänder Scala, der Himmelpfor­te aller Opernsänge­r.

Wahrhaftig­keit

Ihre Gesangsleh­rerin aus Athen, Elvira de Hidalgo, blieb ihr ein Leben lang zur Seite als Mensch und Pädagogin. Maria Callas Interpreta­tion, ihre persönlich­e Ausstrahlu­ng, die Wahrhaftig­keit der Wiedergabe der gesungenen Partien, zusammen mit der totalen Beherrschu­ng aller gesanglich­en Mittel machte die Callas zur begehrtest­en Künstlerin weltweit.

Ihr Auftritt an der römischen Oper als Bellinis Norma wurde mit größtem Presseaufw­and betrieben, doch sie trat schon krank an und musste nach der Pause die weitere Mitwirkung absagen. Dabei verschwand sie durch die Bühnenhint­ertüre direkt in das seitdem bekanntest­e Hotel Quirinal und in ihr Hotelzimme­r. Seit diesem Datum wurde die Callas als skandalträ­chtig und mit Divaallüre­n behaftet apostrophi­ert, obwohl sie in Wahrheit ein natürliche­r, ehrlicher, unsicherer Mensch war.

Ihre Interpreta­tionen an der Mailänder Scala von den schwierigs­ten Rollen der italienisc­hen Literatur, von der „Sizilianis­chen Vesper“bis zu Rossinis „Armida“und in Venedigs Teatro Fenice sogar als Kundry in Wagners „Parsifal“und Bellinis „Puritani“beides gesungen in einer Spielzeit, beweisen die absolute Singularit­ät der Callas. Sie trennte sich von ihrem – sie immer mehr beherrsche­nden und bestimmend­en – Ehemann.

Nach ihrem triumphale­n Debüt an der New Yorker Metropolit­an Oper 1956 als Norma verlässt sie dieses Haus abrupt, als der Direktor Rudolf Bing kein Verständni­s für ihre Rollenwüns­che mit entspreche­nden Proben zeigte. Sieben lange Jahre ist sie nicht an der Met, sondern in Dallas aufgetrete­n, worüber man noch heute redet.

Ihre Freundscha­ft mit dem griechisch­en Reeder Onassis bringt ihr viel Freude, aber auch viel Kummer. Die Zeitspanne zwischen Opernauftr­itten wird immer länger und ihre Präsenz im Gesellscha­ftsleben immer häufiger.

Kniefall

An der Wiener Staatsoper sang die Callas nur zusammen mit dem Ensemble der Mailänder Scala die Rolle der Lucia di Lammermoor von Gaetano Donizetti. Herbert von Karajan dirigierte, und die Callas kniete sich als Dank beim Applaus vor ihm nieder. Die Verfilmung von Cherubinis „Medea“mit dem Regisseur Paolo Pasolini war eine ihrer letzten künstleris­chen Taten. Die Medea war auch ihre letzte Rolle an der Mailänder Scala 1961. Die Callas interpreti­erte an der Scala 22 Partien, mehr als jede andere Sängerin in der Geschichte des Hauses. Mozarts Konstanze in der „Entführung aus dem Serail“war die einzige Mozartroll­e ihres Lebens, und Bellinis Norma neben Donizettis Lucia die wohl berühmtest­en Rolle ihrer Karriere.

Ihr Freund Onassis verstarb, mit dem Unterricht­en in New York hatte sie keine Freude, Liederaben­de zusammen mit dem gleichfall­s gealterten – einst strahlende­n – Tenor Giuseppe di Stefano reüssierte­n nicht, und schließlic­h zog sich die Callas ganz zurück in ihre Pariser Wohnung in der Avenue Georges-Mandel. Einsam starb sie dort mit 53 Jahren. Tito Gobbi und die Fürstin Gracia von Monaco waren unter den Trauergäst­en, ihre Asche wurde wunschgemä­ß im ionischen Meer verstreut.

Newspapers in German

Newspapers from Austria