Großbaustelle Groß-Verfahren: „Ohne Hilfe nicht zu bewältigen“
Justiz. BUWOG-Prozess verdeutlicht Probleme bei komplexen Korruptionscausen
Gefängnis – oder nicht? Diese Frage stellt sich Walter Meischberger nicht mehr. Sie würde ihn zerstören, sagt er. Denn immerhin müsste er sie sich seit 14 Jahren stellen, Tag für Tag. Meischberger ist einer der 2020 erstinstanzlich verurteilten Angeklagten im BUWOG-Prozess. Und wie seine damaligen Partner Peter Hochegger und Trauzeuge KarlHeinz Grasser wartet Meischberger 14 Jahre nach Beginn der Ermittlungen darauf, dass der Oberste Gerichtshof (OGH) Recht in seiner Sache spricht, also: das Urteil bestätigt oder – wie Meischberger und Grasser hoffen – als Fehlurteil aufhebt.
Ungeachtet der Frage, was in der Causa Sache ist, steht die Justiz seit Jahren vor dem Dilemma, dass Wirtschaftsund Korruptionsstrafsachen vergleichsweise lange dauern. Und das ist weder für die Betroffenen noch für den Rechtsstaat ein Renommee.
Eine Frage der Ressourcen
Was könnte, ja müsste passieren? Irmgard Griss war Präsidentin des Obersten Gerichtshofs und hat diverse Kommissionen für Justiz und Politik geleitet.
Sie ist überzeugt, dass die Ermittlungsverfahren, also die Abläufe vor einer möglichen Gerichtsverhandlung, eine Frage der Ressourcen sind: „Große Wirtschaftsverfahren sind komplex, da geht es oft darum, Geldflüsse über Kontinente hinweg zu verfolgen. Das dauert einfach und kann nicht mit dem Aufwand zur Aufklärung eines Mordes oder Einbruchs verglichen werden“, sagt sie zum KURIER. „Wenn die Staatsanwaltschaften, so wie beispielsweise die WKStA, die Möglichkeit bekommen, Experten in der
Behörde mit derartigen Fragen zu betrauen anstatt Gutachten einzuholen, dann kann damit sicher Zeit gewonnen werden.“
Was die Gerichtsverfahren angeht, müssten vor allem die Richter unterstützt werden. „Ich selbst habe Kommissionen wie die Hypokommission und die Kindeswohlkommission geleitet und weiß: Ohne die Hilfe von Assistenten – wie Rechtspraktikanten, Richteramtsanwärter oder andere Richter – ist die Arbeit kaum zu bewältigen.“
An den Abläufen, also an Rechtsmittelfristen und Ähnlichem, muss laut Griss nichts geändert werden.
Damit widerspricht die Spitzenjuristin auch dem Argument, dass Betroffene bzw. Angeklagte selbst oft Verfahren „verschleppen“, weil sie sämtliche Einspruchsmöglichkeiten ausschöpfen.
Laut Griss geht es „darum, dass Staatsanwälte und Richter im Team arbeiten können bzw. ein Team zur Verfügung haben“. Allein der Akt zur Bawag habe am OGH ein ganzes Zimmer gefüllt. „Das ist für einen Richter allein einfach nicht schnell zu schaffen, das dauert seine Zeit.“
Tatsächlich läuft seit September ein Pilotprojekt mit „Verfahrensmanagern“am Wiener Straflandesgericht. Drei Mitarbeiter, die Erfahrung in Sachen Hauptverhandlung und
Kanzleiarbeit mitbringen, seien zwei Monate lang im Haus geschult und sehr rasch eingesetzt worden, sagt Vizepräsidentin Martina Spreitzer-Kropiunik.
Einsatz bei Kurz-Prozess
Am ersten Tag im Prozess gegen ExKanzler Sebastian Kurz hätten sie geholfen, den Medienandrang zu bewältigen. Ansonsten sei das Trio vor allem im Hintergrund großer Verhandlungen beschäftigt: „Sie helfen dem Richter, einen Akt methodisch aufzubereiten, Themen zu sortieren, Termine mit Beteiligten zu koordinieren oder Schöffen einzuteilen.“Nicht nur das Verhandlungs- und Aktenmanagement, auch Konzepte für Kostenund Gebührenbeschlüsse gehören zu ihrem Aufgabengebiet. Wer hat das vorher gemacht? „Die Richter selbst, oft mit Rechtspraktikanten.“
Das Pilotprojekt läuft für zwei Jahre, weitere Standorte sind laut Justizministerium in Graz, Klagenfurt, Linz, Salzburg, Innsbruck und Feldkirch geplant. Insgesamt stehen 20 Planstellen zur Verfügung.
Die Frage, wie sich Großverfahren beschleunigen ließen, versuchte das Forschungszentrum ALES im Auftrag des Ministeriums zu ergründen. Der Arbeitsbericht werde derzeit intern evaluiert, erste Maßnahmen – wie die Verfahrensmanager oder Personal-Aufstockungen – seien aber bereits abgeleitet worden, heißt es. Veröffentlicht wurde der Bericht bis dato nicht.