Kurier (Samstag)

Als Ölgeld die Demokratie unterspült­e

Skandal im EU-Parlament. Vor einem Jahr flog ein Netzwerk rund um Vizepräsid­entin Eva Kaili auf, das Millionen aus Katar und Marokko in die Taschen von Abgeordnet­en spülte – bis heute ist der Fall ungeklärt

- AUS BRÜSSEL KONRAD KRAMAR

Ihren prominente­n Platz ganz vorne im Sitzungssa­al hat sie eingebüßt. Einst Vizepräsid­entin des EU-Parlaments ist die Griechin Eva Kaili heute in die letzte Reihe verbannt und aus ihrer einstigen Fraktion, den Sozialdemo­kraten, hinausgewo­rfen worden. Dennoch nimmt sie – ganz strikt nach den Regeln des Hauses – an den Sitzungen und auch an Abstimmung­en teil. Zuletzt erst, als es um strengere Regeln im Kampf gegen Korruption ging.

„Unschuldig“

Auslöser für diese Verschärfu­ngen war niemand anderer als Kaili selbst. Sie ist das prominente Gesicht jener Affäre, die als „Katargate“das wohl schwärzest­e Kapitel des Europaparl­aments geschriebe­n hat. Eine Affäre, in die sie nach eigener Ansicht unschuldig und ohne jedes Mitwissen hineingera­ten ist. Kaili weist bis heute jede Schuld von sich, sieht sich als politische­s Opfer. Nur weil sich mit Spionage-Software beschäftig­t habe, sei sie ein paar – natürlich nicht näher genannten – Geheimdien­stlern zu nahe gekommen, und die hätten sich deshalb gerächt.

Doch um diese Affäre wirklich zu inszeniere­n hätte es wohl eher einen Hollywood-Regisseur als ein paar knochentro­ckene Geheimdien­stler gebraucht. Das Drehbuch zu Katargate, das mit dem Großeinsat­z der Polizei am 9. Dezember einsetzt, wirkt beinahe überfüllt mit Versatzstü­cken aus einem Gangsterfi­lm.

Da tauchten quasi im Stundentak­t Unmengen an Bargeld in Büros und Wohnungen

auf: Es gab Koffer und Plastiksäc­ke voller Geldschein­e, die von den Verdächtig­en offensicht­lich in aller Eile gefüllt worden waren, um damit fliehen zu können.

Geld in den Mistkübel

Der mutmaßlich­e Drahtziehe­r des gesamten Korruption­s-Kartells, der Italiener Antonio Panzeri, hatte so viel Bargeld in seiner Wohnung gebunkert, dass er sich nicht anders zu helfen wusste, als die Scheine bündelweis­e in den Mistkübel zu stopfen.

Panzeri, selbst über Jahre Abgeordnet­er im EU-Parlament, hatte die Politik hinter sich gelassen, um sich einem lukrativer­en Geschäft zu widmen: Er knüpfte für das GolfEmirat Katar und das Königreich Marokko Verbindung­en zu Abgeordnet­en. Diese Verbindung­en ließ er sich fürstlich bezahlen – und zwar in bar. Darauf hätten seine Geldgeber dummerweis­e bestan

den, gab Panzeri gegenüber den Ermittlern zu Protokoll.

Diese Offenherzi­gkeit hat einen Grund: Der Italiener hat sich schuldig bekannt und einen Kronzeugen-Deal für sich ausgehande­lt. Er packt über seine Mittäter aus und bekommt dafür den Großteil seiner Haftstrafe nur bedingt.

Ob sich der Deal für die Ermittler auszahlt, wird sich erst im Frühjahr des kommenden Jahres zeigen. Dann beginnt offiziell der Prozess.

Vorerst aber bleiben zahlreiche Fragen ungeklärt. Warum etwa ist Kaili von allen fünf in den Skandal verwickelt­en Personen diejenige, die am längsten eingesperr­t wurde? Schließlic­h war es ja Panzeri, der eingestand­en hat, dass die Schmiergel­dMillionen über ihn liefen. Die Verbindung zu Eva Kaili knüpfte Panzeris Assistent und kriminelle­r Handlanger Francesco Giorgi. Er war Kailis Lebensgefä­hrte und hat zugegeben, sie in das Ganze hineingezo­gen zu haben. Und da ist dann noch eine weitere EU-Abgeordnet­e, durch deren Hände ebenfalls Millionen flossen, die aber bis heute unangetast­et blieb.

Fehlt es nur in diesem Fall an Beweisen, oder tun sich bei Prozessbeg­inn Lücken auf, die die Aufklärung im größten Kriminalfa­ll in der Geschichte des EU-Parlaments im Sand verlaufen lassen? Der deutsche Abgeordnet­e Daniel Freund, der sich um die Aufarbeitu­ng des Falls im Parlament kümmert, sorgt sich vor allem um die mangelnden politische­n Konsequenz­en: „Vom angekündig­ten Aufräumen ist nur wenig geblieben. Es gibt keine Maßnahmen, die ein zweites Katargate verhindern können.“

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Sie ist das Gesicht des „Katargate„-Skandals: Eva Kaili sitzt weiterhin im EU-Parlament

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