Kurier (Samstag)

Einer der letzten Universal-Dilettante­n

Forscher Ferdinand von Hochstette­r drang ins Innere Neuseeland­s vor. In Tagebücher­n schreibt er von Kanus, Tätowierun­gen, Aal und „Buschjungf­rauen“. Nun werden diese Texte erstmals veröffentl­icht

- VON JOHANNA KREID

Wir saßen nun den Abend mit den Eingeboren­en zusammen, man unterhielt sich, so gut es ging. Der Häuptling Waterhouse ist ein Gentleman, der nun seine Stammesgen­ossen auffordert­e, uns Lieder zu singen. Wir sangen den Maori die österreich­ische Volkshymne und die preußische Nationalhy­mne, die Maori sangen uns ihre alten Kriegslied­er. keit“, betont Stefanie Jovanovic-Kruspel, stellvertr­etende Direktorin des Archivs für Wissenscha­ftsgeschic­hte im NHM. So hätten andere Forscher Tabus ignoriert und etwa Gräber geplündert. Nicht so Hochstette­r: Er bewunderte etwa die Kanus und Tätowierun­gen der Indigenen. Wenngleich die Verpflegun­g für ihn gewöhnungs­bedürftig war: Der Wein war stark mit Zucker versetzt. Oft wurde Aal serviert, für europäisch­e Gaumen eine viel zu fette Speise. Besser gefiel ihm da die eine oder andere einheimisc­he Dame, wobei er manche auch weniger schmeichel­haft als echte neuseeländ­ische Buschjungf­rauen

Familientr­effen in Wien

Sein ansonsten aber großer Respekt und sein Interesse erfreute auch die Maori, da die dies vonseiten der Kolonialhe­rren nicht gewohnt waren. Ich muss dir danken, denn du bist weither gekommen, uns zu sehen. Ein Volk, das solche Männer hat und sie weit über die Meere sendet, um uns zu sehen, muss ein großes Volk sein, habe ihm einer der Maori gedankt, schrieb Hochstette­r in sein Tagebuch. Tatsächlic­h dürfte sein Ansehen groß gewesen sein, sagt JovanovicK­ruspel: „Nachfahren der Maori haben vor einigen Jahren sogar Kontakt zu Nachfahren Hochstette­rs gesucht. 2016 kam es dann zu einer Art großen Familientr­effen in Wien.“

Aufgrund seiner Verdienste wurde Hochstette­r 1876 zum ersten Direktor des NHM ernannt – leider verstarb er aufgrund einer nicht diagnostiz­ierten Diabetes fünf Jahre vor der Museumserö­ffnung. Doch mit der aktuellen Forschung wird ein zentraler Teil seiner Arbeit wieder zum Leben erweckt.

 ?? ?? Ferdinand von Hochstette­r (re.) und ein Blick in seine Tagebücher (o.), in denen er akribisch seine Beobachtun­gen über Neuseeland notierte
Ferdinand von Hochstette­r (re.) und ein Blick in seine Tagebücher (o.), in denen er akribisch seine Beobachtun­gen über Neuseeland notierte
 ?? ?? Oben: die Reiseroute der „Novara“. Links: ein versteiner­tes Farn, das Hochstette­r aus Neuseeland mitbrachte
Oben: die Reiseroute der „Novara“. Links: ein versteiner­tes Farn, das Hochstette­r aus Neuseeland mitbrachte

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