„Mein Leidensweg ist viel zu lang“
Nina Ortlieb. Vor dem ersten Saisoneinsatz ist der Winter für die Vorarlbergerin bereits gelaufen. Ein Unterschenkelbruch zwingt die WM-Zweite zur 20.Operation im Laufe ihrer Karriere
An dieser Stelle ist bereits ein Interview mit Nina Ortlieb gestanden. 48 Stunden vor dem ersten Speed-Rennen war die Vorarlbergerin dem KURIER Rede und Antwort gestanden und voller Tatendrang und Zuversicht. Am Freitag stürzte Ortlieb beim Einfahren für den Super-G in St.Moritz schwer und musste mit dem Hubschrauber geborgen werden.
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Nicht schon wieder! Bitte nicht schon wieder Nina Ortlieb, ist man geneigt zu sagen. Als wären ihr im Laufe der Karriere nicht schon genug Leid und Schmerz widerfahren. Als hätte die Vorarlbergerin einen bitteren Pakt mit dem Verletzungsteufel.
Immer dann, wenn sich Nina Ortlieb gerade wieder aufgerappelt hatte; wenn sie nach einer Zeit der Selbstzweifel wieder Sicherheit und Hoffnung gewonnen hatte; immer dann, wenn sie sich trotz aller Widerstände wieder an die Weltspitze zurückgekämpft hatte, folgte prompt der nächste Nackenschlag. „Mein Leidensweg ist im Verhältnis zu meiner Karriere viel zu lang. Deshalb möchte ich jetzt noch
Jahre ohne Verletzung dranhängen“, sagte die WM-Zweite von Meribel (Abfahrt) am Mittwoch im Gespräch mit dem KURIER.
Da konnte Ortlieb noch nicht wissen, dass ihre großen Träume und Ambitionen schon bald den nächsten riesigen Dämpfer bekommen würden.
Und dass sie wieder auf schmerzhafte Weise zurück an den Start katapultiert werden würde und einmal mehr ganz von vorne beginnen muss. Leider nicht zum ersten Mal in ihrer Lauf bahn.
20.Operation
Der Schien- und Wadenbeinbruch, den sich die 27-Jährige beim Einfahren für den Super-G in St. Moritz zuzog, wurde noch am Freitag von Vertrauensarzt Christian Schenk in Schruns operiert. Es war, sage und schreibe, bereits die 20. Operation, die Ortlieb als Skiläuferin über sich ergehen lassen musste.
Die Tochter von Olympiasieger und Weltmeister Patrick Ortlieb hatte schon mehrere Kreuzbandrisse, der letzte Totalschaden im Knie hatte sie fast zwei Jahre ihrer Karriere gekostet. „Wenn du elf Monate nach einer Verletzung noch nicht Skifahren kannst, dann ist das schwer zu akzeptieren“, erzählt die 27-Jährige.
Selbstzweifel
Aus leidvoller Erfahrung weiß Nina Ortlieb, dass Verletzungen nicht nur körperliche Wunden hinterlassen. Fast die größere Herausforderung ist es, dabei den Optimismus und die Willenskraft nicht zu verlieren. „Natürlich kriegst du Zweifel und denkst dir: Schaffe ich es jemals wieder, ein Rennen zu fahren? Schaffe ich es jemals wieder, im Idealfall ein Rennen zu gewinnen?“
Nicht nur einmal sah sich Ortlieb nach den letzten schweren Verletzungen mit skeptischen Fragen konfrontiert. „Warum tust du dir das überhaupt noch an? Oder. Glaubst echt, dass das noch wird? ch haben genug Leute bgeschrieben“, erzählt die Vorarlbergerin.
Erfolgshunger
Nina Ortlieb hat im Laufe ihrer Karriere nicht nur alle Besserwisser Lügen gestraft, sie ist noch immer aus all ihren Verletzungen stärker zurückgekommen. Daraus mag die 27-Jährige auch in der aktuellen Situation ein wenig Kraft schöpfen. „Der Hunger, weiter zu machen und mehr Erfolge zu erreichen, war immer größer als das aktuelle Leid“, betont Nina Ortlieb bei jeder Gelegenheit. Rückschläge und Tiefschläge gehören zum Leben der Vorarlbergerin dazu. Nina Ortlieb kennt es nicht anders. „Ich bin oft hingefallen und habe aufstehen müssen. Das war als Kind schon so. Und es scheint, als sei mir das geblieben.“