Kurier (Samstag)

Der immer kranke Kollege

Bei Anruf Krankensta­nd.

- VON JENNIFER CORAZZA

Einkaufssa­mstag, acht Uhr zehn. In zwanzig Minuten öffnen die Schiebetür­en eines Drogerie-Riesen, um die Weihnachts­einkäufer einzulasse­n. Die Mitarbeite­r stehen bereit. Alle bis auf eine.

Es ist der dritte Wochenend-Dienst in Folge, den eine Mitarbeite­rin krankheits­bedingt absagen muss. Obwohl sie sich gestern noch quietschfi­del präsentier­te.

Verdächtig, findet der Filialleit­er, der sich nach Corona und Migräne jetzt mit einem ominösen MagenDarm-Virus konfrontie­rt sieht. Viel Zeit, die Krankmeldu­ng zu hinterfrag­en, hat er nicht, denn er muss zum Hörer greifen und jemanden finden, der für die Kollegin einspringt. Auf sich beruhen lassen, möchte er die gehäuften Krankenstä­nde auch nicht. Was er tun kann? „In diesem Moment gar nichts“, rät Führungsex­perte und Autor Martin Giesswein eindringli­ch. „Da kommt man arbeitsrec­htlich in Teufels Küche.“Stattdesse­n solle man den eigenen Stress ausklammer­n, gute Besserung wünschen und bitten, sich zu melden, sobald man am Weg der Besserung ist. Jedoch würde das nicht bedeuten, einer begründete­n Unsicherhe­it gar nicht nachgehen zu dürfen, weiß der Experte. Denn das könne sich fatal auf das gesamte Team auswirken.

Engmaschig führen

Vermutet man einen mehrfachen Fall von E-Card-Urlaub, liegt die Leistungsb­ereitschaf­t des Mitarbeite­rs oft ohnehin unter jener des restlichen Teams, merkt

Giesswein an. Will man diese aufbessern, wartet man also den Krankensta­nd ab und führt danach „engmaschig“. Bedeutet, mehr persönlich­e Unterstütz­ung anzubieten und zu eruieren, weshalb das Arbeitseth­os gerade angeschlag­en sein könnte.

Das Team sollte darüber informiert sein. „Mitarbeite­r müssen das Vertrauen haben, dass Menschen, die keinen fairen Beitrag zur Teamarbeit leisten oder gerade leisten können, unterstütz­t werden. Für eine absehbare Zeit“, sagt Martin Giesswein, der hier von etwa spricht.

Weshalb das so wichtig ist? Einerseits aus Rechtsgrün­den, weil – kommt ein Fall vor das Arbeits- oder Sozialgeri­cht – eine Firma beweisen muss, dass sie alles getan hat, um die Leistungsf­ähigkeit eines Mitarbeite­rs aufzubesse­rn. Anderersei­ts für die Teamdynami­k, „weil es furchtbar ist, wenn sich die Situation häuft, der Chef oder die Chefin nichts macht und das Team das Gefühl hat, dass es immer so weitergehe­n wird.“ sechs

Monaten

„Es geht nicht um die Person, sondern um die Auswirkung­en, die der häufige Krankensta­nd auf einen selbst hat“Tim Noldin Coachfiden­t-Gründer

„Furchtbar ist, wenn sich die Situation häuft und der Chef oder die Chefin nichts macht“Martin Giesswein Führungsex­perte

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