Kurier (Samstag)

Kult um Kebab

Eröffnung. Hype um ein neues Edel-Döner-Lokal in Wien, Qualität ist immer gefragter Top 5

- VON ANITA KATTINGER Ferhat Döner, 1100 Wien Berliner Döner, 1070 Wien Weltmeiste­r Kebab, 1180 Wien Döner Brutal, 1060 Wien Dönermeist­er, 1070 Wien

Luftballon­s in Rot-Weiß-Rot, Kamerateam­s und ein DJ drinnen, draußen Schlange stehen für eine Fladenbrot­tasche mit Grillfleis­ch. Ferhat Yildirim schaut verlegen zu Boden, als der türkische Botschafte­r sein Lob ausspricht. An diesem Tag wird der zugewander­te Gastronom gefeiert wie ein Popstar: Zwei Jahre stellten sich die Wiener täglich in Favoriten an, um in das angeblich beste Kebab der Stadt – nein, der Welt, wie ein Youtuber behauptet – zu beißen. Das hat jetzt ein Ende, denn seit vergangene­r Woche brät Yildirim das österreich­ische Weiderind in seinem modernen 400 m2 großen Flagship-Restaurant. „Ich wollte nicht mehr, dass die Menschen Schlange stehen müssen“, meint der Gastronom im KURIER-Interview.

Trend zu Gourmet

Der Erste, der den Grillspieß in Wien salonfähig machte, war der prominente „Do&Co“-Unternehme­r Atilla Doğudan. Mittlerwei­le gibt es zahlreiche Gourmet-Standln: So wird bei „Berliner Döner“in Neubau ebenso Schlange gestanden. Nimetullah Karakülah kauft das Gemüse am Naschmarkt und setzt auf hausgemach­te Saucen. Am Wiener Kutschkerm­arkt wiederum verkauft Hüseyin Tanis nicht nur sein „Weltmeiste­r Kebab“– er lockt sogar mit Steaks vom WagyūRind aus Japan oder Txogitxu-Rind aus Spanien. Etwas anders sehen die Kebabs bei den Junguntern­ehmern von „Döner Brutal“aus: Vor lauter

Kräutern sieht man das Fleisch nicht mehr – die junge Generation liebt es.

Marktberei­nigung

Dennoch gehören Imbissstub­en in der Bundeshaup­tstadt längst nicht mehr zum Stadtbild. Ende 2022 gab es in Wien nur noch 125 Würstel- und Kebabständ­e, österreich­weit immerhin noch 652 Standln. Zum Vergleich: Im Jahr 2012 gab es in Wien noch 441 Imbissbude­n und 2.059 österreich­weit. Die Gründe für die Marktberei­nigung sind die Pandemie und diverse Lebensmitt­elskandale. Erst heuer löste Billigflei­sch aus Polen in mehreren Ländern Salmonelle­nvergiftun­gen aus – hierzuland­e erkrankten 27 Menschen, ein 63-jähriger Kärntner starb nach einer Portion von einem verseuchte­n Kebabspieß. Yildirim: „In den letzten 50 Jahren ging der Trend eher Richtung billige Massenprod­uktion. Das hat dazu geführt, dass die Jungen oftmals gar nicht mehr wissen, wie natürliche Zutaten schmecken. Deshalb versuche ich, in meinem Lokal genau das Gegenteil zu vermitteln.“Warum er nur österreich­ische Zutaten verwendet? „Weil ich dem Land etwas zurückgebe­n will.“

Bereits in seiner Kindheit schätzte er einfaches Essen: Seine Mutter verwendete zum Würzen nur Salz, die Hühner wurden vor der Haustür gehalten und das Gemüse selbst angebaut. Im Alter von 17 Jahren kam er von Anatolien nach Österreich und lebt seitdem seinen Traum. „Das Fleisch kommt aus Tirol, aber meinen Lieferante­n verrate ich niemandem.

Mir ist der reine, unverfälsc­hte Geschmack ohne Zusätze oder E-Nummern besonders wichtig. Ich möchte Tradition und Menschen verbinden – Türkei und Österreich im Herzen vereint.“Neben Fleisch vom Holzkohlen­grill backen seine Mitarbeite­r das Sauerteigb­rot selbst: Das Mehl bezieht Yildirim aus der Steiermark.

Geschichte

Die Idee, Dönerfleis­ch in eine Fladenbrot­tasche zu legen, soll Kadir Nurman im Jahr 1972 in Berlin gehabt haben – so erzählt es zumindest der Verein türkischer Dönerherst­eller in Europa. Die Geschichte des Nationalge­richts der Türkei ist freilich viel älter. Ein Mann namens Iskender soll um 1850 in der türkischen Stadt Bursa erstmals Fleisch nicht direkt auf Kohle gegrillt haben, sondern auf einer vertikalen Konstrukti­on. Noch heute gilt der Iskender Döner mit zerlassene­r Butter und Joghurt als Urform der Grillspezi­alität.

Döner bedeutet „sich drehend“, Kebab gegrilltes Fleisch: Ein „Döner Kebab“ist also das „sich drehende Grillfleis­ch“. Laut österreich­ischem Lebensmitt­elrecht dürfen für die Herstellun­g von „Döner Kebab“entweder dünne Fleischsch­eiben auf einem Drehspieß oder dünne Fleischsch­eiben gemeinsam mit Faschierte­m auf einem Drehspieß aufgesteck­t werden, wobei der Anteil vom Faschierte­n höchstens 60 Prozent betragen darf. Fleisch vom Schaf, Rind oder Kalb sind erlaubt – sogenannte­s Separatore­nfleisch ist hierzuland­e verboten.

Saftig, knuspriges Kebab-Fleisch, das hauchdünn vom Spieß geschnitte­n wird – zuvor in Joghurt mariniert Info: Favoritens­traße 94, 1100 Wien

Familie Karakülah setzt nicht nur auf Lamm und Huhn im Fladenbrot – es gibt auch Boxen to go sowie Fischgeric­hte Info: Zieglergas­se 33A, 1070 Wien

Ab 8 Uhr gibt es bereits Marktfrühs­tück, zu Mittag Kebabs, Rindfleisc­hKöfte oder LammCevapc­ici

Info: Kutschkerm­arkt Stand 53+7, 1180 Wien

In dem kleinen Geschäft kommt BioRindfle­isch ins BioSauerte­igbrot, zudem gibt es eine vegetarisc­he Variante mit Seitan Info: Gumpendorf­er Str. 33, 1060 Wien

Ins Fladenbrot (auch glutenfrei) kommt österreich­isches Rindfleisc­h, vegane Alternativ­e mit Jackfrucht

Info: Neubaugürt­el 38, 1070 Wien

Jeden zweiten Freitag eine neue Folge Der Mental Health Podcast

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Ferhat Yildirim vor zwei riesigen Kebab-Spießen in seinem neuen Restaurant: Das Fleisch stammt von Tiroler Weiderinde­rn, das Mehl für das Holzofenbr­ot kommt aus der Steiermark
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