„Wir dürfen sie nicht vergessen“
Der Comic „Frau, Leben, Freiheit“ist ein kompaktes Erklärbuch über die Protestbewegung. Warum das heute so wichtig ist, erklärt Zeichnerin Bahareh Akrami
„Der zündende Funke der Revolte“heißt die erste Geschichte im neuen ComicBand „Frau, Leben, Freiheit“(Rowohlt), den die Illustratorin und Filmemacherin Marjane Satrapi herausgegeben hat. Comiczeichnerin Bahareh Akrami und Politologe Farid Vahid erzählen darin die letzten Stunden von Mahsa Jina Amini und wozu sie geführt haben. Am 13. September 2022 wird die junge Frau in Teheran von der Sittenpolizei verhaftet und so schwer am Kopf verletzt, dass sie ins Koma fällt (siehe auch Seite 8). Im Comic erklärt das Alter Ego der Zeichnerin, das sei „die Technik der verdammten Bastarde, die Frauen dorthin zu schlagen, wo sie ihrer Ansicht nach sündigen.“Ihr Gesprächspartner, die Verletzungen von Demonstrierenden in Teheran im Geheimen versorgt hat. Sie können in keine Spitäler, weil sie dort wahrscheinlich verhaftet werden. Eines Abends verschwand sie nach so einem Einsatz. Die Behörden sagten erst, sie hätte einen Autounfall gehabt, dann, sie hätte sich aus Liebeskummer von einer Brücke gestürzt. Die Verletzungen ihrer Leiche erzählen aber eher von schwerer Folter.
Akramis knapper, aber dringlicher Kommentar über diese Porträts: „Ich will, dass diese Menschen nicht vergessen werden.“
Über die aktuelle Situation sagt sie: „Ja, es stimmt, es sind weniger Demonstrationen, denn die Iranerinnen und Iraner haben Angst. Die Unterdrückung, die Repressionen waren jetzt ein Jahr lang wirklich erbittert. Und noch dazu ist die wirtschaftliche Situation ein Fiasko. Die Menschen versuchen einfach nur, zu überleben. Sie bleiben aber trotzdem mobilisiert, eben auf andere Arten, besonders mit zivilem Ungehorsam. Abgesehen davon ist es aber eine fundamentale Bewegung, hier wurde eine Gesellschaft in ihrem Kern aufgewühlt.“
„Es ist deprimierend, dass die Medien das Interesse verloren haben.“
Nach Freiheit dürsten
Es wird weiterhin gefoltert und getötet, vor allem im berüchtigten Gefängnis Evin, aber in den Medien findet man längst nicht mehr so viele Artikel über den Iran wie noch vor Monaten, wird nicht mehr hingeschaut? „Ja, es ist deprimierend, dass die Medien das Interesse an der Situation verloren haben. Aber so sind die Regeln des Nachrichtengeschäfts. Wir Iraner der Diaspora müssen uns jetzt dafür einsetzen, dass weiter darüber geredet wird. All jene, die nach Freiheit dürsten und wir, die wir ihren Kampf weitertragen, wissen: Erlösung kommt nicht von Politikern, wer immer sie sein mögen, sondern durch die Zivilbevölkerung.“
KURIER-Wertung: ★★★★★