Warum müssen wir einander vor Weihnachten „unbedingt noch sehen“? Fragen der Freizeit
... und Antworten, die Sie überraschen werden
Eine Art Endzeitstimmung weht wie der Duft nach Zimt und Glühwein durch den Advent. „Wir müssen uns unbedingt noch vor Weihnachten treffen“, sagen wir gefühlt fünf Mal am Tag, eigentlich zu jedem, auch wenn wir ihn sonst nur einmal im Jahr zufällig auf einer Party sehen. „Jaa, das müssen wir auf jeden Fall schaffen!“, ist die einzig akzeptable Antwort auf diesen Vorschlag. Warum eigentlich? Während uns das im Dezember mit all seinen Büroweihnachtsfeiern und Umtrünken und Geschenkebesorgungsirrfahrten unglaublich stresst, dehnen sich danach Jänner und Februar leer und langweilig ins Endlose. Zumindest, wenn man nicht zur Gschnas- und SkihüttengaudiFraktion gehört.
Denn es ist ja nicht so, dass nach Weihnachten die Welt sich nicht relativ unberührt von all den gegessenen Keksen und eventuell tatsächlich noch besuchten Freunden weiterdrehen würde. Trotzdem hat man so ein bissl das Gefühl, als ob zwischen 24. Dezember und Anfang Jänner ein Schwarzes Loch auf einen wartet und man davor noch unbedingt alle gesellschaftlichen Verpflichtungen abhaken müsste. Philippe Ariès, einer der bedeutendsten französischen Historiker der Annales-Schule, sah darin, schon lange vor dem Christentum, das Bedürfnis des Menschen nach einem Neuanfang. Denn egal ob – wie ursprünglich bei den alten Römern und anderen Völkern der Antike – am 1. März oder eben wie bei uns an den Tagen um die Wintersonnenwende, an denen schon bronzezeitliche Kulturen „Neujahrsfeste“feierten: Überall erkennt man eine Häufung sozialer Ereignisse und religiöser/gesellschaftlicher Zusammenkünfte. Das bringt natürlich eine entsprechende Verknappung der „Freizeit“mit sich und das unbestimmte Gefühl, dass einem die Tage in gewisser Weise „davonrennen“. Die schlechte Nachricht: Das tun sie eigentlich die ganze Zeit. Die gute: Ab den Heiligen Drei Königen ist zumindest dieses Gefühl vorbei, und ein ganzes neues unbeschriebenes Jahr liegt vor uns, an dem wir unsere guten Vorsätze wieder nicht einhalten werden. Aber, frei nach Samuel Beckett, es vielleicht ein bisschen besser versuchen.