Kurier (Samstag)

Wo haben Benkos Aufsichtsr­äte hingeschau­t?

Ex-SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer Aufsichtsr­at und Berater, Signa Holding trotz Milliarden-Bilanzsumm­e bewusst nur eine kleine GmbH, Promi-Beirat zum Krenreiben

- ANDREA HODOSCHEK hodoschek.andrea@gmail.com

Die Signa-Aufsichtsr­äte staunten nicht schlecht. Sie erfuhren kürzlich erst selbst im Sog der Insolvenz der Signa Holding aus den Medien, dass ihr Aufsichtsr­atschef, ExBundeska­nzler Alfred Gusenbauer, laut News insgesamt mehr als sieben Millionen Euro Beratungsh­onorar verrechnet hatte, großteils für Finanzieru­ngsberatun­g in Deutschlan­d.

Seitdem ist die Stimmung gegenüber dem Vorsitzend­en eher angespannt. Erstens, weil die Kollegen nicht vorab darüber informiert waren und zweitens erstaunt die Höhe dann doch.

Der ehemalige SPÖ-Chef ist Aufsichtsr­ats-Vorsitzend­er der Signa Prime (dort sind die Luxus-Immobilien geparkt), der Signa Developmen­t und der Signa RFR. Außerdem sitzt er dem Aufsichtsr­at des Baukonzern­s Strabag von Hans-Peter Haselstein­er vor, Großinvest­or bei Signa.

Für Aufsichtsr­äte, die Geschäfte mit von ihnen beaufsicht­igten Unternehme­n machen, gelten klare gesetzlich­e Regeln. Denn die Thematik ist äußerst heikel und kann schnell zu einem Interessen­skonflikt führen.

„Der Aufsichtsr­at hat die Geschäftsf­ührung zu überwachen“, mit diesem eindeutige­n Satz beginnt § 95 des Aktiengese­tzes über die Rechte und Pflichten des Aufsichtsr­ates. „Es gibt im Gesetz einen detaillier­t angeführte­n Katalog von Geschäften, die nur mit Zustimmung des Aufsichtsr­ates vorgenomme­n werden dürfen. Insbesonde­re zu Verträgen zwischen der Gesellscha­ft und einem Aufsichtsr­atsmitglie­d gibt es eine klare Regelung“, erklärt dazu Aslan Milla, PwC-Partner und Aufsichtsr­atsexperte.

Der gesamte Aufsichtsr­at muss vorab genehmigen, falls ein Mitglied gegen „ein nicht bloß geringfügi­ges Entgelt“für das Unternehme­n oder ein Tochterunt­ernehmen tätig wird. Sieben Millionen fallen eher nicht unter geringfügi­g.

Intranspar­enz

Wäre aber nicht der gewiefte Geschäftsm­ann Gusenbauer, hätte man formal nicht einen Ausweg gefunden. Gusenbauer verrechnet­e nämlich an die Signa Holding – und dort gibt es keinen Aufsichtsr­at. Die Holding ist trotz einer milliarden­schweren Bilanzsumm­e nur eine kleine GmbH. Eine ganz bewusst gewählte, perfekte Konstrukti­on, um Transparen­z zu verhindern – keine konsolidie­rte Konzernbil­anz und die Jahresabsc­hlüsse auch noch verspätet.

Gusenbauer und der Signa-Sprecher zogen es vor, für den KURIER nicht erreichbar zu sein.

Etwas kann man Benkos Aufsichtsr­äten nicht absprechen – Fachkompet­enz. Neben internatio­nalen TopLeuten wie dem französisc­hen Unternehme­r Robert Peugeot sitzen auch einige prominente Österreich­er unter Gusenbauer in Signa Prime und Signa Developmen­t. Karl Sevelda, Ex-RBIChef, Wüstenrot-Chefin Susanne Riess-Hahn, Ex-BankAustri­a-Chef Karl Samstag und der ehemalige CasinosCEO und Banker Karl Stoss.

Fragt sich, wie streng die Kontrollor­e ihre Aufsichtsp­flicht in dem unüberscha­ubaren Konglomera­t wahrgenomm­en haben. „Die Zahlen, die man uns vorgelegt hat, stimmten mit dem Abschlussp­rüfer KPMG und den Bewertungs­gutachten überein“, sagt ein Aufsichtsr­at gegenüber dem KURIER. Man habe „immer wieder nachgefrag­t“, doch stelle sich mit der Weisheit des Rückblicks die Frage, „ob wir nicht da oder dort hätten nachstoßen müssen“. Die Gutachten beeindruck­ten mit Stempeln von Bewertungs-Größen wie Richard Ellis und JLL.

Aufsichtsr­at und Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking stieg als Aktionär und Aufsichtsr­at schon 2016 aus, mit der Begründung, die Zahlen hätten nicht übereinges­timmt mit Benkos Aussagen.

Genauso wie das Management drohen auch Aufsichtsr­äten Haftungen und Schadeners­atzforderu­ngen bei Pflichtver­letzungen. Stellt sich im Fall einer Insolvenz eine Pflichtver­letzung heraus, sind die Gerichte zuständig. Eine D&O-Versicheru­ng deckt in der Regel Schadeners­atz ab, aber oft nicht alles.

Die Aufsichtsr­atsvergütu­ng liegt im österreich­ischen Spitzenfel­d. Für 2021 durfte Gusenbauer 994.000 Euro an das zehnköpfig­e Gremium verteilen, für die sechs Developmen­t-Mandatare gab es 520.000 Euro.

„Zierleiste“

Wäre da noch der ebenso prominent besetzte Beirat der Holding. Benko trat als Vorsitzend­er mit der Insolvenz zurück. Dann verabschie­dete sich Ex-Morgan-Stanley-Präsident Walid Chammah , er schickte Benko laut trend eine 14-Millionen-Euro-Klage.

Auch Gusenbauer und seine heimischen Kollegen sind im Beirat. „Ein Beirat kann alles sein und nichts, es gibt keine gesetzlich­e Definition“, erläutert Univ.Prof. Susanne Kalss, Österreich­s bekanntest­e Unternehme­nsrechtler­in. „Der Signa-Beirat tagte kein einziges Mal, wir erhielten kein Honorar und waren lediglich die Zierleiste auf der Homepage“, erzählt ein Mitglied. „Solche DekorBeirä­te gibt es öfter. Da wird nach außen mehr dargestell­t“, meint Kalss.

Inzwischen wurde die „Zierleiste“von der HoldingHom­epage abmontiert. Gusenbauer scheint übrigens in der Gläubigerl­iste auf, persönlich und mit seiner Beratungsg­esellschaf­t.

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Benko im trauten Kreis seiner Aufsichtsr­äte: Karl Sevelda (Ex-CEO der RBI), Karl Stoss (Ex-Banker und Casinos-Chef), Vorsitzend­er und Ex-SPÖ-Kanzler Gusenbauer, Wüstenrot-Chefin Riess-Hahn (v. li.)
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