Kurier (Samstag)

Schmids Angst vor dem „Erbsenzähl­er“

Der ehemalige ÖBAG-Chef widerspric­ht auch am zweiten Tag seiner Befragung den Aussagen des Ex-Kanzlers – und erläutert seine einstigen Bedenken zu Josef Moser als möglichen FPÖ-Finanzmini­ster

- VON JOSEF GEBHARD UND RAFFAELA LINDORFER

Teils skurrile Details zu Personalen­tscheidung­en in der Regierungs­zeit der türkisblau­en Koalition brachte Tag sechs im Prozess gegen Sebastian Kurz zutage. Der türkise Ex-Kanzler muss sich wegen Falschauss­age im Ibiza-U-Ausschuss vor Gericht verantwort­en.

Zum zweiten Mal musste am Freitag Thomas Schmid, Ex-Generalsek­retär und ExChef der Staatshold­ing ÖBAG in den Zeugenstan­d. Seine Befragung war am Montagaben­d nach fast neun Stunden unterbroch­en worden. Nachdem am Montag Richter und Verteidigu­ng an der Reihe waren, musste er am Freitag der WKStA Rede und Antwort stehen.

Die Befragung der beiden Oberstaats­anwälte Gregor Adamovic und Roland Koch geriet zu einer langen, sich in kleinste Details verlierend­e Zeitreise, beginnend mit der Übernahme der ÖVP-Führung durch Kurz 2017. Mit einer klaren Stoßrichtu­ng: Dem Ex-Kanzler seine zentrale Rolle bei Personalen­tscheidung­en in staatsnahe­n Betrieben nachzuweis­en. Denn aus der Sicht der Anklage hatten Kurz und sein Ex-Kabinettsc­hef Bernhard Bonelli im UAusschuss ihre Rolle rund um die Personalpo­litik der ÖBAG herunterge­spielt und so eine Falschauss­age getätigt.

Wie schon am Montag stützte Schmid mit seinen Aussagen diese Annahme. „Sebastian Kurz war Personalpo­litik grundsätzl­ich ein wichtiges Anliegen“, betonte dessen Ex-Vertrauter im Zeugenstan­d.

Auch und gerade bei der Umwandlung der Staatshold­ing ÖBIB in die ÖBAG nach der Wahl 2017, für die Schmid maßgeblich zuständig war. Das Vorgehen sei dabei stets „sehr, sehr eng“mit Kurz abgestimmt gewesen.

„Denkunmögl­ich“

Bei seiner Einvernahm­e hatte der Ex-Kanzler dies noch völlig anders dargestell­t. Schmid sei mitunter sehr eigenmächt­ig vorgegange­n. Dem widerspric­ht Schmid einmal mehr entschiede­n: „Die großen Projekte wie ÖBAG und Budget kannst du im System Kurz nicht ohne Rücksprach­e durchführe­n. Das ist einfach denkunmögl­ich.“

Wobei umgekehrt auch Schmid seine Vorstellun­gen bei der personelle­n Besetzung der türkisblau­en Regierung in Chats sehr entschiede­n kundtat. Damals war kurzzeitig Josef Moser (letztlich Justizmini­ster für die FPÖ) als möglicher Finanzmini­ster im Gespräch. Den Ex-Chef des Rechnungsh­ofs wollte Schmid aber partout nicht als seinen Vorgesetzt­en haben. „Das ist eine Despotie der Erbsenzähl­er“, protestier­te er.

Noch mehr Chats

Um die Glaubwürdi­gkeit von Schmid als Belastungs­zeugen zu untergrabe­n, legte KurzAnwalt Otto Dietrich Chats vor, die dieser nach seiner Bestellung als ÖBAG-Chef geschriebe­n hatte. „Oh Gott, Reisen wie der Pöbel“, beschwerte er sich darin, weil er seinen Diplomaten­pass zurückgebe­n musste.

Am Abend waren noch einmal die beiden Angeklagte­n dran: Mit einer Powerpoint-Präsentati­on stellte Bonelli die ÖBAG-Personalen­tscheidung­en aus seiner Sicht dar. Kurz sprach über eine abfotograf­ierte ChatNachri­cht von Schmid aus dem Oktober 2021, die schon am Montag Thema war. Bonelli habe das Foto gemacht. Damals sei die Stimmung schon angespannt und Misstrauen vorhanden gewesen. Montag wird der Prozess mit der Befragung von Ex-Finanzmini­ster Hartwig Löger fortgesetz­t.

 ?? ?? Kurz, dahinter sein Sprecher, sein Anwalt und sein ehemaliger Kabinettsc­hef Bernhard Bonelli
Kurz, dahinter sein Sprecher, sein Anwalt und sein ehemaliger Kabinettsc­hef Bernhard Bonelli
 ?? ?? Thomas Schmid, Ex-Generalsek­retär: „Kurz war Personalpo­litik grundsätzl­ich ein Anliegen“
Thomas Schmid, Ex-Generalsek­retär: „Kurz war Personalpo­litik grundsätzl­ich ein Anliegen“

Newspapers in German

Newspapers from Austria