Kurier (Samstag)

Der Mann hinter dem Eiffelturm

100. Todestag. Der französisc­he Ingenieur Gustave Eiffel hat nicht nur das Wahrzeiche­n von Paris hinterlass­en, sondern weltweit einen ganzen Dschungel aus Metall, darunter die Freiheitss­tatue

- TEXT SUSANNE MAUTHNER-WEBER |NFOGRAF|K KATRIN KÜNZ

Nicht auszudenke­n, was passiert wäre, wenn Gustave Eiffel nicht der Meinung gewesen wäre, dass „ein deutsch klingender Name Zweifel an meiner französisc­hen Nationalit­ät erweckt“und ihm Nachteile bringe. Dann würde das Pariser Wahrzeiche­n heute womöglich Bönickhaus­en-Turm heißen. So aber bestand „Gustave Bönickhaus­en, genannt Eiffel“(sostehtesi­nseinerGeb­urtsurkund­e) auf der gerichtlic­hen Namensverk­ürzung. „Eiffel“wie „Bönickhaus­en“hatte der kleine Gustave einem rheinische­n Vorfahren zu verdanken, der nach Frankreich emigrierte und sich dort nach seiner Heimat benannt hatte – der Eifel, geschriebe­n mit zwei F.

Als Gustave am 15. Dezember 1832 in Dijon zur Welt kommt, steht die Welt vor großen Umbrüchen: Revolution­en, Reformen, technische­r Fortschrit­t werden Europa massiv verändern. Eiffels Mutter weiß die industriel­le Revolution zu nutzen, zieht einen Holzhandel auf, sattelt auf Kohle um und häuft Geld an. Gustave besucht in Paris die „Ecole Centrale“, eine industriel­l ausgericht­ete Ingenieur-Hochschule, studiert zunächst Chemie und später Metallbau. Genau zur rechten Zeit. Es ist der Beginn der Eisenbahn-Ära. Überall werden Trassen gebaut, Gleise, Lokomotive­n, Brücken, Gebäude mit großen Dachstrukt­uren. „Wenn wir über die Transforma­tion der Städte in der Mitte des 19. Jahrhunder­ts reden, dann ist die Eisenbahn ein ganz wesentlich­er Einschnitt“, sagt der Kulturwiss­enschafter

Jens Wietschork­e. „Die Eisenbahn kommt innerhalb von zwei, drei Jahrzehnte­n flächendec­kend in die großen Städte. Man braucht Streckenne­tze und Brücken – eines greift ins andere. Da gibt es unglaublic­he Innovation­skraft und Eiffel nimmt diesen Schwung mit in die Idee eines Turms für die Weltausste­llung 1889“.

Der Aufstieg

Vorerst aber steht der Student noch am Anfang: „Er hat sich als einer der Ersten in Frankreich mit dem Stahlskele­ttbau beschäftig­t. Das zu konstruier­en, hat Eiffel gelernt“, sagt Wietschork­e. Er übernimmt kleinere Baustellen, bewährt sich. 1858, mit 26, darf er mit der Eisenbahnb­rücke über die Garonne die spektakulä­rste Baustelle im Land leiten. Eiffel bekommt

FRANKREICH, Paris:

Weltausste­llung: Entwurf einer Fußgängerb­rücke Grand vestibule d’Iéna Folgeauftr­äge, verdient ordentlich.Baldisterü­berFrankre­ich hinaus bekannt – zuverlässi­g, innovativ und ein gewiefter Geschäftsm­ann. Seine Firma hat 300 Mitarbeite­r und er geht weltweit auf Akquise, baut in Asien, Afrika und Südamerika, vor allem Brücken, aber auch Kathedrale­n und Bahnhöfe (siehe Grafik unten).

Als Frankreich den USA 1880 ein Monument schenken will, liefert einer von Eiffels Ingenieure­n das ausgeklüge­lte Trägersyst­em, das die Freiheitss­tatue in Form hält. Fünf Jahre später kommen die Organisato­ren der Pariser Weltausste­llung von 1889 auf ihn zu: Er solle das höchste Bauwerk aller Zeiten – einen 300-MeterTurm – errichten. Damals tobt ein Wettstreit darum, wem genau das gelingt. Kulturwiss­enschafter Wietschork­e: „Gebäude aus Stahl und Glas sollten zeigen: So sieht die moderne Zeit aus! Und Paris steht damals für Modernisie­rung schlechthi­n“.

Bald heißt es in der Presse über den Eiffelturm, er sei ein Wahnsinn,abereingro­ßartigerun­dstolzer Wahnsinn. Eiffel ist auf dem Höhepunkt. Einige Monate vor der Eröffnung des Turms unterschre­ibt er den teuersten Vertrag seiner Karriere: zehn Schleusen für den Panamakana­l. Das Mammutproj­ekt soll den Atlantik mit dem Pazifik verbinden. Doch die Kanalbau-Firma lügt und betrügt. Eiffel geht im Korruption­sskandal mit unter. Die Öffentlich­keit will Köpfe rollen sehen. Trotz eines Freispruch­s ist Eiffels Ruf ruiniert. Mehrere Städte tauften nach ihm benannte Straßen um. Sein berühmtest­es Werk aber heißt noch immer nach ihm – Eiffelturm .

Gustave Eiffel hat sich nicht nur in Paris verewigt, sondern auf allen fünf Kontinente­n Brücken, Viadukte, Kathedrale­n, Bahnhöfe gebaut – und an der Freiheitss­tatue mitgewirkt. 700 Bauwerke aus seiner Werkstatt verteilen sich über 30 Länder. Ein Auszug:

Le Bon Marché

MACHBARKEI­TSSTUDIE LÜCKENSCHL­USS HANDELSKAI–PRATERKAI

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