Geiz? Nicht geil! „Warm-Glow-Effekt“nennen Wissenschafter das wohlige Gefühl gelebter Großzügigkeit. Doch wie viel Eigennutz steckt in prosozialem Verhalten?
Wurzeln des Helfens
1,1 Milliarden Euro: So viel spendeten die Österreicher laut Fundraising Verband Austria im Jahr 2022 – ein Rekord, trotz Inflation.
Dass Geiz nicht immer geil ist, haben Wissenschafter der Universitäten Lübeck, Zürich und der Feinberg School of Medicine in Chicago bereits vor einigen Jahren festgestellt. Mithilfe von Magnetresonanztomografie (MRT) des menschlichen Gehirns, machten sie sichtbar, dass Großzügigkeit glücklich stimmt.
Ein Effekt, der als „Warm Glow“bezeichnet wird: Wer spendet, empfindet ein wohliges Gefühl.
Alleine der Vorsatz oder Gedanke, freigiebiger zu sein, löst neuronale Veränderungen im Gehirn aus, die zu Glücksgefühlen führen. Die
Höhe der „Gaben“spielt dabei keine Rolle. Und auch die größte Langzeitstudie zum Thema „Glück“an der Universität Harvard zeigt, dass Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft zentrale Schlüssel zur Zufriedenheit sind.
Helfen als Selbstzweck
Doch wie selbstlos sind die Selbstlosen tatsächlich und wie viel Eigennutz steckt womöglich hinter dem großzügigen Verhalten eines Menschen? „Eine Frage der Definition“, sagt Univ.-Prof. Claus Lamm, vom Institut für Psychologie der Kognition, Emotion und Methoden an der Universität
Wien. „Wenn Nutzen bedeutet, dass ein Mensch positive Gefühle beim Helfen entwickelt, dann schwingt da natürlich auch ein gewisser Selbstzweck mit. Problematisch ist das aber nicht, weil ja eine Win-Win-Situation kreiert wird: Ich helfe anderen, das fühlt sich gut an. Die Bereitschaft, großzügig zu sein, kann sich damit verstärken.“
Fragwürdig wird prosoziales Verhalten wie Großzügigkeit aus Sicht des Neuropsychologen vor allem dann, wenn es nur mehr darum geht, sich damit zu zelebrieren und gut zu fühlen oder sich auf ein Podest zu stellen, wie es bei manchen Wohltätigkeitsveranstaltungen üblich sei.
„Natürlich könnte man sagen, egal, soll doch die gut betuchte Gesellschaft ihren Spaß haben, Hauptsache, die Kasse klingelt. Eine Frage der Moral und Ethik. Als Psychologe gebe ich aber zu bedenken, dass dieser rein ökonomische Zugang im Einzelfall zwar wirken mag, aber wenig nachhaltig bleibt. Und zwar insbesondere dann, wenn sich Menschen durch Spenden gute Gefühle erkaufen oder sich reinwaschen wollen.“
Ein System, in dem Menschen nur deshalb spenden, weil es andere großartig finden oder um sich selbst angenehme Gefühle zu bescheren, sei brüchig. „Wenn aufgrund von Krisen der Trend zur Spendenbereitschaft womöglich kollabiert, ist es mit dem Großzügigkeitsverhalten schnell wieder
Der Begriff kommt von lateinischem „alter“für „der Andere“. Gemeint sind damit Handlungen, die zum Wohl anderer ausgeführt werden. Seine Wurzeln gehen bis zu antiken Gelehrten und Philosophen wie Sokrates zurück, die das Phänomen der Menschenliebe erforschten, genannt „Philanthropos“. Der Philosoph und Mathematiker Auguste Comte prägte 1851 den Begriff Altruismus. Seither wird diskutiert, ob Altruismus immer selbstlos ist oder egoistische Eigeninteressen eine Rolle spielen.
Die Idee des „Warm Glow Effekts“gab es schon bei Aristoteles, er meinte: „Der ideale Mensch verspürt Freude, wenn er anderen einen Dienst erweisen kann“ vorbei. Dann heißt es: Von guten Gefühlen kann ich mir nichts kaufen“, sagt Lamm. Werden Hilfsbedürftige hingegen aus einer intrinsischen Motivation heraus unterstützt, würde das Spendenverhalten unter Belastung weniger schnell kollabieren, es ist krisenresistenter, so Lamm.
Eine Frage der Erziehung
Reputation bleibt trotzdem ein Motor für prosoziales Verhalten. Zumal den Menschen von der Evolution zweierlei Haltungen als Grundausstattung mitgegeben wurden: Altruismus und Egoismus. Welche davon ausgeprägter ist, hängt auch vom Umfeld ab, soziales Verhalten wird gelernt und entwickelt. „Erziehung und ein entsprechendes gesellschaftliches Umfeld können die altruistische Seite von Menschen fördern“, sagt Lamm.
So betrachtet seien vorweihnachtliche Spendenaktionen als eine alljährlich stattfindende Form ritualisierter altruistischer Unterstützung zu verstehen. „Spendenbereitschaft auf diese Weise zu kanalisieren und ihr einen entsprechenden Rahmen zu geben, macht es für Menschen einfacher, zu spenden“, erklärt Lamm. Besser machen könnte man es natürlich immer: Indem man nicht nur zu Weihnachten spendet, sondern einen Dauerauftrag macht, wird Großzügigkeit zu einer Grundhaltung, die man nicht mehr hinterfragt.
Beim Schenken kommt hingegen ein weiterer Faktor dazu, gibt der Neuropsychologe noch zu bedenken: „Es ist wechselseitig: Ich gebe dir was, du gibst mir was. Schenken kann zwar auch altruistisch motiviert sein, fungiert aber eher als sozialer Kitt in Familien oder unter Freunden. Schenken oder beschenkt werden kann als Statement verstanden werden, im Sinne eines: Du gehörst zu mir.“
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Kein Stress. Dass in Wirklichkeit nicht alles gut ist, wissen natürlich auch die, die dauernd „Alles gut!“sagen. Es ist halt eine Floskel, und als solche darf man sie nicht unbedingt wortwörtlich verstehen. Problematisch daran ist eher der übertrieben defensive Gestus, der damit transportiert wird. „Alles gut!“ist eine verbale Unterwerfungsgeste. Was meistens nett gemeint ist, hat den picksüßen Beigeschmack von Konfliktscheu und Gesprächsverweigerung.
Die Steigerungsform von „Alles gut“lautet übrigens nicht „Alles besser“, sondern „Alles gut. Kein Stress!“Übersetzt bedeutet das ungefähr: „Interessiert mich nicht, lass mich in Ruhe!“
Kein Wunder, dass Herr K. darauf allergisch reagiert. Aber nach zwei kleinen Bieren und einem Paar Debreziner mit Senf/Kren ist meistens wieder alles gut.
„Ich helfe anderen, das fühlt sich gut an. Die Bereitschaft, großzügig zu sein, kann sich verstärken“Claus Lamm Neuropsychologe
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