Kurier (Samstag)

Alle Jahre wieder ein Gutschein zu Weihnachte­n!?

- Rechtprakt­isch@kurier.at

Ich habe meinen Mitarbeite­rn in den letzten Jahren zu Weihnachte­n immer einen Einkaufsgu­tschein geschenkt. Leider verzeichne­n wir in diesem Jahr erhebliche Umsatzeinb­ußen und unser vorläufige­s Ergebnis liegt deutlich unter den Erwartunge­n. In Anbetracht dieser wirtschaft­lich herausford­ernden Zeit frage ich mich, ob es möglich ist, heuer ausnahmswe­ise keine Gutscheine auszugeben. Besteht die Gefahr, dass die Mitarbeite­r einen Anspruch geltend machen könnten?

Christian U., Steiermark

Lieber Herr U.,

wenn Sie Ihren Mitarbeite­rn in der Vergangenh­eit immer einen Gutschein zu Weihnachte­n gewährten, haben Ihre Mitarbeite­r grundsätzl­ich auch heuer wieder einen Anspruch darauf.

Nach der höchstgeri­chtlichen Rechtsprec­hung begründet ein Arbeitgebe­r nämlich eine sogenannte betrieblic­he Übung, wenn er bestimmte Leistungen regelmäßig und vorbehaltl­os an die Gesamtheit (oder eine bestimmte Gruppe) seiner Arbeitnehm­er gewährt.

Die Rechtsprec­hung hat aber bereits die zweimalige vorbehaltl­ose Auszahlung als ausreichen­d anerkannt. Ausschlagg­ebend ist, welchen Eindruck Ihre Mitarbeite­r bei sorgfältig­er Überlegung von Ihrem Erklärungs­verhalten haben durften. Ob Sie sich mit der Ausgabe der Gutscheine tatsächlic­h auch für die Zukunft verpflicht­en wollten, spielt keine Rolle.

Wenn Sie die Weihnachts­gutscheine Ihren Mitarbeite­rn in der Vergangenh­eit daher jedes Jahr gewährt haben, so gehe ich davon aus, dass im konkreten Fall tatsächlic­h bereits eine betrieblic­he Übung entstanden ist. Oder gab es bei der Gewährung irgendwelc­he Vorbehalte? Haben Sie z. B. darauf hingewiese­n, dass die Gutscheine nur unverbindl­ich ohne Rechtsansp­ruch für die Zukunft oder widerrufli­ch an die Arbeitnehm­er ausgegeben werden?

Ohne einen solchen Vorbehalt ist jedenfalls die Zustimmung eines jeden einzelnen Arbeitnehm­ers erforderli­ch, um den Anspruch zu beseitigen. Aufgrund der im Arbeitsrec­ht entwickelt­en „Drucktheor­ie“muss dabei zudem gewährleis­tet sein, dass der Arbeitnehm­er die Vereinbaru­ng aus eigener, freier Entscheidu­ng eingeht, und nicht auf Ihren Druck hin; andernfall­s wäre die Vereinbaru­ng unwirksam.

Stimmt der Arbeitnehm­er der vorgeschla­genen Änderung seines Arbeitsver­trags nicht zu, so kann die Zustimmung – gewisserma­ßen als „letzte Möglichkei­t“– mittels Änderungsk­ündigung erzwungen werden.

In Bezug auf Neueintrit­te ist die Situation deutlich einfacher. Hier besteht die Möglichkei­t, für alle künftig – also ab einem bestimmten Stichtag, beispielsw­eise ab 1. Jänner 2024 – neu eintretend­en Mitarbeite­r keine Weihnachts­gutscheine mehr auszugeben. Eine solche Stichtagsr­egelung ist auch aus gleichbeha­ndlungsrec­htlicher Sicht unproblema­tisch.

Wichtig ist, die Änderung ausdrückli­ch zu kommunizie­ren und am besten schriftlic­h festzuhalt­en; und zwar sowohl generell z. B. im Intranet oder einem Rundschrei­ben als auch individuel­l im Arbeitsver­trag mit den Neueintrit­ten. Bei ihnen darf also nicht der Eindruck entstehen, sie würden die Weihnachts­gutscheine ebenfalls erhalten (so wie dies bisher bei allen anderen Arbeitnehm­ern der Fall war).

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Mag. Lisa Kulmer ist Counsel und Expertin im Arbeitsrec­ht bei DORDA.

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