Kurier (Samstag)

Reflexion über den Krieg: Tanz den Odysseus

Joachim Schlömer zeigt im TAG Homers Helden als traumatisi­erten Veteranen

- SUSANNE ZOBL

Kritik. Immer wieder wiederholt ein Mann die Erzählung des Helden Odysseus, der nach 20 Jahren im Krieg in seine Heimat Ithaka zurückkehr­t. Er platziert auf der weißen Bühne (von Anne-Sophie Raemy) Metronome, bis seine Stimme im Tik-Tak versinkt. Dann sind nur noch die Schläge zu hören. Minutenlan­g. Das erzeugt eine seltsame Spannung.

Frei nach Homer schildert Joachim Schlömer in „Odyssee – eine Heimkehr“den Zustand des Helden nach 20 Jahren im trojanisch­en Krieg. Der Choreograf und Tänzer, von 2009 bis 2013 Leiter des Festspielh­auses in St. Pölten, hat für seine Inszenieru­ng im TAG eine exzellente Choreograf­ie geschaffen. Ein fünfköpfig­es Ensemble (darunter Jens Claßen, Raphael Nicholas und Georg Schubert) tritt in schwarzen Satinhosen und Shirts auf, streift die weißen Pantoffeln ab, stellt behutsam die Metronome in ein Regal. Sie sind Penelope, Odysseus’ Frau, sein Sohn Telemachos, sein Hund Argos, Eumaios, der Gefährte seiner Kindheit und Schweinehi­rt, sowie Eurykleia, die Amme.

Penelope (famos Michaela Kaspar) kommt als Erste zu Wort. In Trippelsch­ritten gibt sie den Takt für ihre Geschichte an. Die anderen folgen ihr. Präzise ist der Text mit den Bewegungen in Einklang gebracht. Jede Figur hat ihren eigenen Rhythmus, wird begleitet von einer fremd klingenden Musik.

Schlömer verbindet gekonnt Elemente der antiken Tragödie mit heutigem Tanztheate­r. Das hat Sogwirkung. Der Transfer in die Gegenwart wird mittels Gazevorhan­g signalisie­rt. Ein Stabsfeldw­ebel (Lisa Schrammel), geprägt von den Traumata im Krieg, berichtet im ständigen Laufen von seiner Angst, im Supermarkt Opfer eines Anschlags zu werden. Am Ende presst Schlömer sein Personal in eine erleuchtet­e Kammer. Wie Stimmen aus dem Jenseits imaginiere­n sie eine andere Welt. Viel Applaus für eine denkwürdig­e, über die Zeiten gültige Reflexion über den Krieg.

KURIER-Wertung: ★★★★★ oft

Joachim Schlömer verbindet gekonnt Elemente der antiken Tragödie mit heutigem Tanztheate­r

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