Kurier (Samstag)

Wann kommt eigentlich der Installate­ur?

Samuel Becketts „Warten auf Godot“in der Inszenieru­ng von Altmeister Claus Peymann

- VON GUIDO TARTAROTTI

Seit Jahrzehnte­n arbeiten sich Theaterexp­erten an der Frage ab: Wer ist dieser Godot, dessen wesentlich­ste Eigenschaf­t darin besteht, dass er nicht kommt? Ist es Gott, der Tod, der Installate­ur, der die Geschirrsp­üle repariert?

Wir müssen wissen es nicht.

Clownstück

sagen, wir

„Warten auf Godot“von Samuel Beckett, 1953 in Paris uraufgefüh­rt, ist in Wahrheit ein absurdes Clownstück. Wladimir und Estragon warten auf einer Landstraße bei einem Baum auf Godot, der nie kommt. Sie vertreiben sich die Zeit durch sinnentlee­rtes Reden. Ihnen begegnen der Sadist Pozzo und dessen von ihm gequälter Diener Lucky. Im zweiten Akt, am nächsten Tag, ist Pozzo blind und Lucky stumm. Wladimir und Estragon erwägen den Selbstmord, aber der Baum ist zu dürr und der Strick zu schwach.

Altmeister Claus Peymann hat dieses Stück – längst ein moderner Klassiker – fast zärtlich inszeniert, als langsame, traurige Clownerie. Die Bühne (Paul Lerchbaume­r) zeigt eine seit Jahrzehnte­n verlassene Landstraße, auf der ein einsames Bäumchen wächst. Rechts und links gibt es je drei Türen.

Die Schwäche dieser Inszenieru­ng: Sie ist mit mehr als zweieinhal­b Stunden deutlich zu lang, nach der Pause wird es manchmal auch ein bisschen fad.

Gespielt wird ausgezeich­net. Bernhard Schir ist ein tief trauriger Wladimir, Marcus Bluhm ein verzweifel­ter Estragon. Stefan Jürgens macht als Pozzo guten Eindruck. Eine Talentprob­e legt der junge Schauspiel­er Nico Dorigatti als Lucky ab: Für seinen Redeschwal­l

bekommt Szenenappl­aus. er

Schrecklic­h, komisch

zurecht

Am Ende bleibt der deprimiere­nde Eindruck: Wir sind alle nur willenlose Clowns in einem schrecklic­h komischen, sinnlosen Leben, dem wir nicht entkommen können. Einmal zeigt Peymann, dass auch andere Interpreta­tionen

möglich wären: Da wird Kriegslärm eingespiel­t, hört man Hubschraub­er und Detonation­en und sieht den Schein von Explosione­n.

Mit einem Fingerschn­ippen stellt Wladimir das ab und licht- und tontechnis­ch die Ausgangssi­tuation her. Und die heißt: Theater. Wir spielen Leben. Wir spielen Warten.

Zum Schluss gibt es den ganz großen Applaus vom Premierenp­ublikum. Peymann genießt das, wie früher, in seinen großen Tagen am Burgtheate­r. Zärtlich schiebt er Schauspiel­er vor an die Rampe und grinst übers ganze Gesicht. Noch hat der Altmeister genug Kraft in sich.

Großartig: Stefan Jürgens, Bernhard Schir, Nico Dorigatti und Marcus Bluhm in „Warten auf Godot“

KURIER-Wertung: ★★★ά★

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