Kurier (Samstag)

ÜBER leben

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Unlängst war wieder einmal Nikolausta­g, und das hat mich an meine Kindheit erinnert. Ich hatte als Kind nämlich furchtbare Angst vor dem Nikolo. Vor dem Krampus nicht, den fand ich lustig. Vor allem wusste ich, der Krampus war in Wahrheit der immer leicht besoffene Neffe von unserem Schulwart, der jagte mir keine Angst ein.

Der Nikolo hingegen war humorlos, ein wenig fragwürdig frisiert, fast wie ein Fußballer aus den Siebziger-Jahren sah er aus, ein bisschen wie der Willi Kreuz, vielleicht trug er ja deshalb ein Kreuz.

Jedes Jahr kam der Nikolo in unsere Schule, hatte ein großes goldenes Buch mit, in dem unsere Verfehlung­en eingetrage­n waren, und führte ernste Gespräche mit uns. Und dann musste man ihm etwas vorbeten und bekam dann ein kleines Geschenk. Als meine Ex-Freundin ein Volksschul­kind war, sagte sie zum Nikolo: „Ich bet’ nix, ich brauch a nix.“Da hat er vermutlich blöd geschaut. Klingt jedenfalls nach einer sehr gesunden

Einstellun­g, bei der man sich später viel Geld für den Therapeute­n erspart.

Ich habe heuer dem Nikolo auch nichts vorgebetet, dafür bin ich dann doch schon ein wenig zu erwachsen. Dafür habe ich einen Schneemann gebaut. Ich bin nämlich draufgekom­men, dass ich noch nie im Leben einen Schneemann gebaut habe. Ich nahm daher die Hilfe meiner Mutter in Anspruch, die jung genug geblieben ist, an dieser Aktivität Freude zu haben. Das Schneemann­bauen war gar nicht so leicht, denn es war zu kalt, um Schneekuge­ln zu rollen. Aber mit vereinten Kräften schafften wir es. Da wir keine Karotte hatten, bekam der Schneemann ein Blatt als Nase und sah dann weniger wie ein Schneemann als ein Schneevoge­l aus. Aber wir fanden den Schneemann toll und wunderschö­n. Der Schneemann trotzte dann noch eine ganze Woche dem Tauwetter, und ich war sehr stolz auf ihn. Insgesamt: Ein gelungener Nikolotag.

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