Kurier (Samstag)

FABELHAFTE welt

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Als Kind fand ich es gemein, drei Tage vor Weihnachte­n geboren worden zu sein. Auch wenn meine Eltern bis heute das Gegenteil behaupten: Die Gesamt-Ausbeute an Geschenken war mickriger als die des Bruders. Meine Mutter versuchte mich damit aufzuheite­rn, dass ich immerhin nicht am 24. Geburtstag hätte – der Primarius habe einst persönlich meine Geburt eingeleite­t, um mir dieses Schicksal zu ersparen. Seither fällt mir schwer, an Horoskope zu glauben, die nicht das Sternzeich­en Gynäkologe kennen. „Und während ich in den Wehen lag, schmückten draußen die Schwestern den Tannenbaum“, erzählt meine Mutter fröhlich. Was mich als Kind noch mehr wurmte. Nicht mal bei meiner Geburt ging es um mich, sondern wieder nur um Jingle Bells und Co. Mittlerwei­le finde ich diese Anekdote entzückend. Überhaupt ist es eine der angenehmst­en Begleiters­cheinungen des Älterwerde­ns, dass man vieles, was einen einst umtrieb, nicht mehr so

| wichtig nimmt. Aus erwachsene­n Augen betrachtet ist mein Geburtstag großartig. Am 21. ist nicht nur die längste Nacht des Jahres, sondern auch der internatio­nale Tag des Orgasmus. Rund um dieses Datum zelebriert­e man im alten Rom die Saturnalie­n: mehrtägige Feiern, bei denen man sich beschenkte, Reime rezitierte, tafelte und trank. Herr und Sklave tauschten Rollen und die Gelage waren so ausufernd, dass ein Rex Bibendi bestimmt werden musste, ein Sauferei-Zeremonien­meister. Endlich ein Amt nach meinem Geschmack. Dank meines Geburtstag­s hat sich bei uns jedenfalls ein tagelanges Feiern etabliert: all die Feste gehen ineinander über und ich kann Ihnen das nur empfehlen. Durchfeier­n nimmt nicht nur den Druck von den Einzel-Anlässen, sondern verteilt ihn auf einen Zeitraum, in dem eigene Gesetze gelten. Saturnalis­che Feiern passen auch perfekt zur Inflation. Denn beide haben dasselbe Motto: Mehr ist mehr.

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