„ES FEHLT UNS AN PERSPEKTIVEN“
Er war Faxenmacher für „RTL Samstag Nacht“und Kommissar bei der „SOKO Donau“. Jetzt spielt Stefan Jürgens absurdes Theater und „Warten auf Godot“am Theater in der Josefstadt – und unter der Regie von Claus Peymann. Der Deutsche steht aber vor allem für ei
Mit dem Theater, sagt Stefan Jürgens, hatte er noch eine Rechnung offen. Als Junger ließ er es frustriert sein, die hochtrabende Attitüde nervte ihn. Stattdessen machte er dafür beim TV Karriere. Jetzt ist er zurück auf der Bühne. Erst gewann er den NestroyTheaterpreis, jetzt spielt er am Theater in der Josefstadt in „Warten auf Godot“. Regie führt der legendäre Claus Peymann. Jürgens spielt Pozzo, reicher wie rätselhafter Tyrann, der einen Sklaven an der Leine hält. Zum Interview wechselt der Schauspieler in den Zuschauerraum – unsere Fragen stellen wir auf den roten Sesseln der Josefstadt.
freizeit:
Herr Jürgens, „Warten auf Godot“ist ein Klassiker über die Orientierungslosigkeit des modernen Menschen. Einverstanden?
STEFAN JÜRGENS: Es ist ein Stück über die Sinnlosigkeit des Lebens. Zugleich aber auch über Hoffnung. Vielleicht vertane, sinnlose Hoffnung, in jedem Fall aber Suche nach Sinn. Ob der in Gott liegt? Beckett hat gesagt: Wenn ich Gott gemeint hätte, hätte ich Gott geschrieben und nicht Godot.
Wie aktuell befinden Sie das Stück noch?
Es wurde im Rückblick auf den Zweiten Weltkrieg und seine Grausamkeiten geschrieben. Was es aktuell macht, ist die heutige Resignation, die Stagnation des Denkens. Die Unsicherheit ist größer geworden. Unsere Gegenwart leidet unter einer Trost- und Hoffnungslosigkeit, die uns auch in unseren privilegierten Ländern gerade näher kommt als uns lieb ist. Nur zwei Flugstunden entfernt ist die Welt schon am Untergehen.
Was schließen wir daraus?
Es fehlt uns an Perspektiven – und auch am Mut zu Perspektiven: Dadurch entsteht das Gefühl der Sinnlosigkeit ja erst. Dadurch finden Populisten Gehör, die auf komplizierte Fragen einfache Antworten finden. Oder gleich gar keine Antworten haben, sondern nur Schlagwörter, diese aber sehr überzeugend vertreten. Hauptsache, sie kommen an die Macht. Die Leute sehnen sich eigentlich nach Beständigkeit. Im Stück sagt Wladimir irgendwann zu Estragon: „Uns fällt doch immer wieder was ein, das uns daran glauben lässt, dass wir existieren.“Aktueller kann ein Stück nicht sein.