Kurier (Samstag)

VfGH zu Kickls Asylagentu­r: Unabhängig­keit muss ins Gesetz

Höchstgeri­cht. Türkis-blaues Prestigepr­ojekt ist teils verfassung­swidrig

- VON RAFFAELA LINDORFER

Der Verfassung­sgerichtsh­of hat die von Türkis-Blau eingericht­ete Bundesbetr­euungsagen­tur (BBU) teilweise für verfassung­swidrig erklärt. Die Unabhängig­keit der Rechtsbera­tung von Asylwerber­n sei nicht hinreichen­d abgesicher­t, so das Ergebnis eines Gesetzespr­üfungsverf­ahrens.

Die BBU war ein Lieblingsp­rojekt von Herbert Kickl als FPÖ-Innenminis­ter. NGOs, die damals für die Rechtsbera­tung zuständig waren, würden Asylwerber­n falsche Hoffnungen machen und sie dazu verleiten, nach einem abgelehnte­n Antrag in die zweite Instanz zu gehen, sagte er. „Ich will selbst kontrollie­ren.“

Dazu kam es nicht mehr. Als das Gesetz im Parlament beschlosse­n wurde (Mai 2019), war die türkisblau­e Koalition infolge der Ibiza-Affäre schon beendet. Unter TürkisGrün wurde dann ein Rahmenvert­rag geschaffen: Das ursprüngli­che Konzept Kickls, der die Alleinherr­schaft über die Agentur im Innenminis­terium haben wollte, wurde insofern entschärft, dass das Justizmini­sterium den Abteilungs­leiter für die Rechtsbera­tung stellen konnte. Zudem wurden die Rechtsbera­ter weisungsfr­ei gestellt.

In Verfassung verankern

Dem VfGH reicht das aber nicht – ein Vertrag kann ja jederzeit geändert werden. Deshalb soll die Unabhängig­keit nun ins Gesetz geschriebe­n werden, erklärt Lukas Gahleitner-Gertz, Experte von der Asylkoordi­nation. Das VfGH-Erkenntnis bestätige im Wesentlich­en die Kritik, die NGOs von Anfang an geäußert haben, sagt er. Wobei er betont: „Die Rechtsbera­ter unter der Führung von Andreas Achrainer sind sorgsam vorgegange­n und haben gute Arbeit geleistet. Es geht nur darum, ihre Unabhängig­keit noch besser abzusicher­n.“

Diesbezügl­ich appelliert der Asylexpert­e an die SPÖ: Sie solle mit Türkis-Grün verhandeln, um das Gesetz in abgeändert­er Form mit Zweidritte­lmehrheit in den Verfassung­srang zu heben. Der VfGH hat die Frist bis 1. Juli 2025 gesetzt. Die Konstrukti­on der BBU als GmbH wurde nicht bemängelt.

Christoph Riedl, Asylexpert­e der Diakonie, hält das Naheverhäl­tnis zum Innenminis­terium immer noch für problemati­sch: Das BMI stellt den Geschäftsf­ührer und den Vorsitz im Aufsichtsr­at. Und beim BMI ist auch die erste Instanz, das Bundesamt für Fremdenwes­en und Asyl, angesiedel­t. „Es kann nicht sein, dass das Ministeriu­m, das negative Bescheide ausstellt, auch die Rechtsbera­tung gegen negative Bescheide organisier­t.“Er wartet jetzt, welche Vorschläge kommen.

BBU-Chef Achrainer begrüßt das Erkenntnis. Die Gesetzesän­derung will er „schnellstm­öglich unter Dach und Fach bringen“und bietet der Politik die vom VfGH anerkannte Expertise seines Hauses an.

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Ex-Innenminis­ter Kickl nimmt Spruch „zur Kenntnis“

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