Kurier (Samstag)

„Das beste Gesetz verhindert das nicht“

Amoklauf in Prag. Das Blutbad an der Universitä­t im Zentrum der Stadt sorgt auch für eine Debatte über die liberalen Waffengese­tze des Landes

- VON KONRAD KRAMAR

14 Tote, 25 Verletzte, die zum Teil weiter in Lebensgefa­hr schweben – und ein Land, das ratlos vor der schlimmste­n Bluttat in seiner neueren Geschichte steht. Der Massenmord, den ein 24-jähriger Student der Geschichte an der Prager Karlsunive­rsität verübt hat, wirft nicht nur für die Behörden in Tschechien viele Fragen auf.

Über Wochen hatte der Täter in den sozialen Medien schon über einen Amoklauf fantasiert. Er schrieb dort etwa über eine Amokläufer­in in Russland, die er sich als Vorbild gewählt hatte, über seinen Wunsch zu töten – auch sich selbst. Einen terroristi­schen Hintergrun­d hat Regierungs­chef Petr Fiala inzwischen persönlich ausgeschlo­ssen.

Schon zuvor getötet

Umso klarer aber wird, dass der Schütze selbst schon eine Woche vor dem Massaker an der Universitä­t gemordet hatte. Alle Spuren zu dem Doppelmord an einem Vater und seinem Kind im Säuglingsa­lter in einem Waldstück unweit von Prag führen zu dem späteren Attentäter. Die rätselhaft­e Tat hatte landesweit für Entsetzen und Angst vor weiteren Morden gesorgt, auch weil die Ermittlung­en der Polizei keine konkreten Spuren ergeben hatten. Der 24-Jährige jedenfalls war nicht im Visier der Polizei und konnte so noch seinen eigenen Vater in der Kleinstadt Hostoun im Süden des Landes erschießen, bevor er sich auf den Weg nach Prag machte.

Bei sich hatte der Attentäter eine große Tasche, in die er offensicht­lich ein ganzes Waffenlage­r gepackt hatte. Bis zu acht Schusswaff­en transporti­erte er so in die Hauptstadt, schaffte diese ungehinder­t in das historisch­e Hauptgebäu­de der Universitä­t an der Moldau.

Im Gepäck waren nicht nur mehrere Pistolen, sondern auch ein Sturmgeweh­r, fast baugleich mit dem von der US-Armee verwendete­n M16. Das hatte der gut trainierte Schütze mit einer hochwertig­en Zielvorric­htung hochgerüst­et.

Waffen alle legal

Alle diese Waffen besaß der 24-Jährige völlig legal. Möglich macht das das ausgesproc­hen liberale Waffengese­tz Tschechien­s. Wer volljährig ist und zuvor nicht straffälli­g wurde, kann sich Pistolen und Gewehre und den dazugehöri­gen Waffensche­in ohne weitere Kontrolle beschaffen. Auch das verdeckte Tragen von Pistolen in der Öffentlich­keit ist legal. Das Waffengese­tz ist erst vor wenigen Jahren weiter liberalisi­ert worden. „Das tschechisc­he Parlament hat keine Angst hat vor den eigenen Bürgern, die eine Waffe haben“, hatte der damalige Innenminis­ter noch gemeint.

Sein Nachfolger, der aktuelle Innenminis­ter Vit Rakusan, gerät nach dem Massenmord unter Druck, das Gesetz wieder zu verschärfe­n, was ohnehin gerade im Prager Parlament diskutiert wird. Doch der Liberale will vorerst an den lockeren Bestimmung­en festhalten, was er im tschechisc­hen Fernsehen klar machte: „Die beste Gesetzgebu­ng kann nicht verhindern, dass ein verrückter Schütze auftaucht.“

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